Die alternativ auch Nachschuss genannte Nachdeckungspflicht kommt manchmal bei Kreditgeschäften zum Tragen, die zuvor mittels Pfandobjekten oder Pfandrechten abgesichert wurden. Man spricht hier von gesicherten Krediten. Sollte der Wert der als Darlehenssicherheit verpfändeten Objekte nicht mehr zur Deckung des besagten Kredits ausreichen, muss der Schuldner gemäß der Nachdeckungspflicht weitere Objekte an seinen Gläubiger als Nachbesicherung übergeben.
Inhalt
Die Nachdeckungspflicht in der Praxis
Die Nachdeckungspflicht kommt häufig im Börsenhandel zum Einsatz. Dort ist es Gang und Gäbe, Käufe etwa durch das Verpfänden von Wertpapieren durchzuführen. Wertpapiere können allerdings ebenso unvorhersehbar wie erheblich in ihrem Kurswert schwanken. Wird dadurch die Deckungsmarge des damit gesicherten Kredits unterschritten, so verlangt die Bank in der Regel vom Kreditnehmer, an sie weitere Sicherheiten zu verpfänden. Eine Nachbesicherung seitens des Schuldners kann aber neben einer auftretenden Unterdeckung auch aufgrund
- der Kreditvertragsbestimmungen
- den jeweiligen AGB des Kreditinstituts
- anderer Umstände
ausgelöst werden.
Gefahren der Nachdeckungspflicht
Eine Gefahr bei solcherart gesicherten Krediten besteht für den Kreditnehmenden in einer vertraglich festgelegten Zusicherung, auf der viele Banken bestehen. Demzufolge ist die Bank jederzeit berechtigt, zusätzliche Sicherheiten zu bestellen, wenn sie dies als notwendig erachtet. Die Bank kann also in solchen Fällen nach ihrem eigenen Ermessen eine Nachdeckung verlangen – und dies ohne, dass dafür irgendwelche zuvor festgelegten Voraussetzungen erfüllt wurden. Daher sollte der Darlehensnehmer bei den Kreditverhandlungen bezüglich einer Nachdeckungspflicht darauf bestehen, dass eine eventuell entstehende Nachdeckungspflicht an bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen gekoppelt ist. Eine solche tritt aus Sicht der Bank meistens dann ein, wenn sie eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Kreditnehmers vermutet. Folglich sollte die Bank dazu vertraglich verpflichtet werden, diese „vermutete“ Verschlechterung durch belegbare, plausible und objektive Umstände nachzuweisen. Ein solcher wäre beispielsweise ein erheblicher Wertverfall der zuvor hinterlegten Sicherheiten – beispielsweise bei massiven Kursrückgängen von Wertpapieren, die als Sicherheit hinterlegt wurden. Ein weiterer stichhaltiger Grund wäre eine unvorhersehbare Arbeitslosigkeit, falls der Kreditnehmer Teile seines Gehalts als Sicherheit verpfändet haben sollte.
Die Informationspflichten privater Kreditnehmer
Vertraglicher Bestandteil eines mit Sicherheiten oder Pfändern gesicherten Kredits ist stets eine umfassende Informationspflicht des Darlehensnehmers bezüglich seiner aktuellen, wirtschaftlichen Verhältnisse. Dieser muss er in vertraglich festgelegten, periodischen Abständen nachkommen (beispielsweise alle drei Monate). Keinerlei Information, welche die vertraglich vereinbarte Erfüllung des Kreditbedingungen irgendwie gefährden könnte darf er dabei verschweigen. Verstößt er gegen seine Informationspflicht, so berechtigt dies das Kreditinstitut zur fristlosen Vertragskündigung sowie zur Erstattung sämtliche dadurch entstehenden Kosten samt ihrer vertraglich zugesicherten und nunmehr entgangenen Erträge. Anhand der gelieferten Informationen entscheidet die Bank, ob sich ihr Risiko bezüglich der Kreditrückzahlung erhöht hat und darf auf dieser Grundlage eventuell vom Kreditnehmer eine Nachdeckung, d.h. eine Hinterlegung zusätzlicher Sicherheiten verlangen. Letztlich ist es also der Kreditnehmer selbst, welcher der Bank die Informationen liefert, die dazu führen könnten, dass er zusätzliche Sicherheiten beibringen muss oder dass sein Vertrag sogar fristlos gekündigt wird und ihm auch noch zusätzliche Kosten entstehen.
Nachdeckungspflicht von Unternehmen
Abgesehen vom Börsenhandel ist eine Nachdeckungspflicht im geschäftlichen Bereich – insbesondere im produzierenden Gewerbe – eher die Ausnahme. Dies liegt vor Allem an der dann notwendigen Besitzüberlassung firmeneigener Gegenstände, auf die das Unternehmen für die Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist. Stattdessen bevorzugt man im Unternehmensbereich die recht ähnliche aber für das Unternehmen weitaus praktikablere und angenehmere Form der Sicherungsübereignung. Dennoch kommt es hin und wieder auch im produzierenden und Dienstleistungsgewerbe zur Nachdeckungspflicht. Entscheidend ist auch hier genau wie bei der Nachdeckung bei Privatpersonen, ob bei der Bank (berechtigte) Zweifel aufkommen, das Unternehmen könne seinen vertraglichen Kreditpflichten nicht mehr nachkommen.
Die Unternehmensbewertung entscheidet über die Nachdeckung
Anders als bei Privatpersonen – wo viel vom Wohlwollen der Bank und dem Verhandlungsgeschick des Kreditnehmers abhängt, ist das Bewerten der Liquidität eines Unternehmens für Banken weitaus einfacher. Denn jedes Unternehmen muss schon alleine aus steuerlichen und aufsichtsrechtlichen Gründen alljährlich eine korrekte Jahresrechnung erstellen, also eine Bilanz samt Erfolgsrechnung und Revisionsbericht. Diesen Unterlagen lässt sich unschwer entnehmen, wie es um die Finanzen und damit um die Kreditwürdigkeit des entsprechenden Unternehmens bestellt ist – ob es also zu vorausschaubaren Schwierigkeiten bei der Kredittilgung kommen könnte. Bei Cash-Flow-basierten Unternehmen – also solchen mit sehr wenig Eigensubstanz, aber sehr hohen Zahlungsströmen – erteilen der Geschäftsplan für das folgende Jahr sowie der sogenannte Cash-Flow-Ausweis Auskunft darüber, wie es um die Liquidität des Unternehmens bestellt ist und ob die kreditgebende Bank dazu berechtigt ist, nachträgliche, zusätzliche Sicherheiten zu verlangen. Im Zweifelsfall kann die Bank auch diesbezügliche, zusätzliche Angaben verlangen – dies gilt im Übrigen auch für an Privatpersonen vergebene, gesicherte Kredite.
Nachdeckungspflicht bei privaten Versicherungen
Auch bei Versicherungsverträgen ist oft von Nachdeckungspflichten die Rede. Gemeint ist hierbei aber die Nachdeckungspflicht des Versicherers – eine für den Versicherungsnehmer überaus angenehme Regelung. Sie bezieht sich auf bereits gekündigte Versicherungsverträge. Kann der (Ex)-Versicherungsnehmer belegen, dass ihm ein zeitlich bereits zurückliegender, aber innerhalb der Vertragslaufzeit entstandener Schaden zugestoßen ist, den diese Versicherung abdeckt, so ist die Versicherung zur nachträglichen Schadensregulierung verpflichtet. Diese Zahlungspflicht besteht selbst dann, wenn der Versicherte erst nach Ablauf der zuvor gekündigten Versicherung von diesem Schaden Kenntnis erlangen sollte. Diese Nachdeckungspflicht erstreckt sich für die Versicherung in der Regel auf zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags. Da dieser zweijährige Zeitraum aber nicht gesetzlich festgeschrieben ist, empfiehlt es sich, bei der Reklamation zeitlich zurückliegender Schäden sowohl die alte, als auch die neue Versicherung davon in Kenntnis zu setzen.
Die „ewige“ Nachdeckungspflicht in Österreich
In Österreich gibt es seit Jahren rechtliche Auseinandersetzungen um den Begriff der „ewigen Nachdeckung“. Versicherungsvermittler wie auch Makler, Vermögensberater und Agenten müssen dort seit 28.1.2019 eine Berufshaftpflichtversicherung besitzen, die verursachte Schäden ohne jede zeitliche Begrenzung absichert, also eine unbegrenzte Nachhaftung inkludiert. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zu § 94 Z 76 der Gewerbeordnung (GewO), der zufolge ausschließlich Versicherungsvermittler zu einer derartigen Berufshaftverpflichtung verpflichtet werden dürfen. Für alle anderen Berufsgruppen – darunter insbesondere für die Vermögensberater – gelte laut manchem fachkundigem Jurist vielmehr weiterhin die übliche fünfjährige Nachdeckungspflicht. All dies – wie auch die Frage der Übergangsfristen bereits bestehender Verträge – muss allerdings rechtlich erst noch abschließend geklärt werden. Zwar existieren also in Österreich Verträge mit unbegrenzter Nachdeckung, und Vermögensberater sind auch angehalten, diese in ihre Vertragsbestimmungen aufzunehmen, ob diese unbegrenzte Nachdeckungspflicht allerdings im Schadensfall wirklich auch bei Vermögensberatern greift, muss erst noch letztinstanzlich geklärt werden. Darauf verlassen können sich die Betroffenen also erst, wenn diese gesetzliche Lücke geschlossen wurde. In der geplanten GewO-Novelle war sie zwar ursprünglich vorhanden, aber versicherungsnahe Interessengruppen und Lobbyisten konnten ihr Inkrafttreten bislang verhindern.
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