Wer seinem eigenen Urteilsvermögen nicht traut, braucht Berater, die ihm sagen, was gut und was schlecht ist. Diesen Rat benötigen vor zwei Gruppen von Menschen, wobei man es bei der einen am wenigsten vermuten würden, dass sie solche Dienste in Anspruch nehmen: einmal sind es Anleger, das andere mal Unternehmer. Das Anleger gerne möglichst genau wissen wollen, wem sie ihr Geld anvertrauen, kann man noch in gewisser Hinsicht verstehen und den Wunsch billigen.
Allerdings nur auf den ersten Blick. Die allermeisten Anlageentscheidungen werden von großen Fondsgesellschaften getroffen, die über jede Menge qualifizierte Mitarbeiter verfügen, die nichts anderes zu tun haben, als unzählige Unternehmen daraufhin abzuklopfen, ob bei ihnen Renditen zu erwarten sind. Wer als Einzelperson Aktien kauft, also in ein Unternehmen investiert, sollte von solchen, die er nicht kennt und von denen er keine genau Vorstellung hat, womit sie eigentlich ihr Geld verdienen, ohnehin die Finger lassen, und zwar ganz gleich, wie irgendeine Agentur diese Firma bewertet. Warum Unternehmer kein eigenes Urteil über Geschäftspartner und Kunden treffen wollen, sondern sich lieber auf den Rat von Dritten verlassen, wissen wir nicht.
Immerhin sollte ein Manager, vor allem eines großen Unternehmens, Mum genug haben zu einem eigenen Urteil zu kommen und sich die dafür nötigen Informationen auch selbst zu beschaffen. Die Praxis sieht genau andersherum aus, je höher die Position, desto größer die Zaghaftigkeit der Entscheider. Das da auch echte Innovationen Mangelware bleiben, verwundert angesichts einer solchen Haltung nicht. Lustigerweise müssen die Unternehmen die übermächtigen Ratingagenturen, auf deren Urteil alle Welt baut, auch noch selbst bezahlen, wenn sie von ihnen durchleuchtet werden. Dies Agenturen haben mittlerweile, jedenfalls in Übersee, soviel Macht, dass ein Notenabzug für eine Firma für diese das Aus bedeuten kann.
Eine merkwürdige Entwicklung, die aber wohl auch daher rührt, dass gerade Aktiengesellschaften quartalsweise ihren Aktionären neue Renditeschübe vorzeigen müssen, um sie bei der Stange zu halten. Bei derart kurzfristigem Denken bleibt für langfristige Strategien keine Zeit mehr übrig und schon gar nicht ist Geduld von Seiten der Anleger zu erwarten.Geht hier mal etwas schief, und die Einschätzung einer Agentur erweist sich als falsch, können Milliarden in kurzer Frist zunichte gemacht werden – Stichwort Enron. Die große Preisfrage lautet jetzt, wer für den Schaden haftet. Darf man auf die Benotung vertrauen, oder muss man selbst prüfen, ob sie gerechtfertigt ist?
Die Antwort fällt leicht, wenn derjenige Geld verloren hat auf Grund der unzutreffenden Bewertung, der die Agentur zur Informationsbeschaffung auch beauftragt hat. So verhält es sich auf jeden Fall in kleineren Dimensionen, wenn man beispielsweise als Kunde der Schufa darauf vertraut, dass die Daten, die sie über einen Kunden bereit stellt, dem man Waren liefert, auch zutreffen. Zwar ist allgemein bekannt, das die Daten, die die Schufa und vergleichbare Firmen verwenden, meistens nicht aktuell sind und gerade positive Veränderungen oft außen vor bleiben. Trotzdem sind die Ergebnisse Maßstab zum Beispiel von Banken zur Beurteilung von Geschäftsbeziehungen.
Der kluge Unternehmer bedient sich noch anderer Quellen, wenn er nicht auflaufen will. Haften muss die Agentur auf jeden Fall, auch wenn sie nur leicht fahrlässig gehandelt hat, da sie als sachverständig auftritt und so Vertrauen erweckt. Macht der Kunde also nach Belieferung pleite und die Agentur wusste von den Schwierigkeiten nichts, darf sie den Schaden bezahlen.