Nun scheint die neunte Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) als sicher. Noch ist nicht klar, wie es danach weitergeht. Nach wie vor machen sich die Währungshüter Sorgen um die hartnäckige Kerninflation. Experten warnen bereits jetzt, die Zinsen nicht zu stark zu erhöhen. Aktuell hat sich der EZB-Rat im Sitzungssaal in der 43. Etage des EZB-Towers in Frankfurt am Main getroffen, um den Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte auf nunmehr 4,25 Prozent beim Hauptleitzins anzuheben. Innerhalb eines Jahres hat die EZB neunmal die Zinsen erhöht. Leider ist ein durchschlagender Erfolg bisher noch nicht erkennbar.
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Die Inflation hält sich hartnäckig
Interessant ist, dass sich die Inflationsrate der Verbraucherpreise in den vergangenen Monaten im Vergleich zum Höchststand von 10,9 Prozent im September 2022 abgeschwächt beziehungsweise halbiert. Leider hält sich die Kerninflation nach wie vor hoch und ist sogar leicht angestiegen. Bei einer Kerninflation werden die besonders schwankungsanfälligen Preise für Nahrungsmittel und Energie herausgerechnet.
Die Kerninflation ist bedeutend, denn die hieraus folgenden Zinserhöhungen haben einen direkten Einfluss. Durch die Leitzinserhöhung sollte sich dieser Effekt abschwächen. Die Währungshüter machen sich jedoch aktuell große Sorgen. Es zeigt sich, wie festgefahren die Inflation in Europa ist.
Angriffskrieg und hohe Energiepreise sind kein Grund mehr
Viele wird deutlich, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die steigenden Energiepreise die Inflation bisher massiv haben ansteigen lassen. Der wahre Grund liegt aber woanders. Mittlerweile haben sich die Energiepreise wieder verbilligt und liegen sogar unter dem Niveau vor dem Krieg.
Experten vermuten strukturelle Probleme, welche die Inflation anfachen. Die Deglobalisierung hat in vielen Teilen einen hohen Einfluss auf die Teuerung. Bereits wegen der Folgen der Corona-Pandemie hat der weltweite Handel einen herben Schlag erhalten. Nicht jeder hat sich bisher davon erholt.
Ebenso haben die weltweit gestiegenen, politischen Spannungen zu einer Verunsicherung geführt. Die EZB hat die Deglobalisierung von Anfang an unterschtätzt. Dies führt zu einem geringeren Handel, weniger Wettbewerb und somit zu weniger Preisdruck.
Corona-Pandemie war Wendepunkt
Die meisten Unternehmen hatten vor der Pandemie noch einen guten Überblick über das Marktgeschehen und die Preisentwicklung. Eine hohe Transparenz führte dazu, dass die Preise sanken. Nunmehr ist die Transparenz gesunken, was zu einer Preissteigerung führte. Zahlreiche Unternehmen mussten ihre Lieferketten anpassen. Es werden weniger Produkte aus Asien bezogen. Man produziert wieder selbst oder verwendet Vorprodukte aus Europa. Dies führt verständlicherweise zu höheren Kosten.
Kritik an der Gierflation
Bei einer Gierflation handelt es sich um übertriebene Preisaufschläge durch die Unternehmen. Nicht immer seien diese Preissteigerungen notwendig. Die Notenbank hat daher viele dieser Vorgehen kritisiert. Anzumerken ist, dass höhere Umweltschutz-Auflagen und Nachhaltigkeitsprojekte nicht kostenlos sind. Zu den Zweitrunden-Effekten gehören die hohen Lohnabschlüsse in den Ländern und Branchen. Durch diesen Kostendruck der Unternehmen steigen somit auch die Preise.
Wie Joachim Nagel als Bundesbank-Chef mitteilte, ist die Inflation ein gieriges Biest. Der Kampf der EZB ist noch nicht beendet. Jedoch weiß keiner so genau, wie es im Herbst 2023 weitergehen soll. Die EZB sieht momentan kein Ender der Inflationsproblematik und zieht in Erwägung, den Leitzins nochmals zu erhöhen. In vielen europäischen Ländern sieht die Lagen nicht besser aus.