Während der Phase mit niedrigen Zinsen erlebten Projektentwickler eine Periode goldenen Wohlstands. Diese Ära fand jedoch mit dem Anstieg von Inflation und Zinsen abrupt ihr Ende. Infolgedessen sank auch die Bereitschaft von Banken und alternativen Kreditgebern, Projekte zu finanzieren. Ein Lagebericht. Die Herausforderungen des aktuellen Marktumfelds für die Branche der Projektentwickler werden durch den aktuellen Development Monitor des Beratungsunternehmens Bulwiengesa verdeutlicht: Mindestens 40 Prozent des gesamten Entwicklungsvolumens werden nun mindestens ein Quartal später fertiggestellt als ursprünglich für Ende 2022 geplant. Bezüglich der Baubeginne beträgt der Rückgang 31 Prozent. Insgesamt verzeichneten die Baustarts von Wohn- und Gewerbeprojekten in den ersten beiden Quartalen 2023 im Vergleich zu den gleichen Zeiträumen der beiden Vorjahre einen Rückgang von etwa der Hälfte.
Inhalt
Erste Entwickler melden Insolvenz an
Entwickler verschieben neue Projekte, was sich auch in den entsprechenden Finanzierungsanfragen niederschlägt. Bauprojekte, die bereits begonnen wurden, müssen unter den aktuellen Rahmenbedingungen neu ausgerichtet werden.
Potenzielle gewerbliche Käufer bleiben zurückhaltend und warten auf sinkende Preise, während viele Projektentwickler weiterhin an den ursprünglich geplanten Verkaufspreisen festhalten, um ihre Kalkulation trotz gestiegener Kosten aufrechtzuerhalten. Ähnliches gilt für Käufer von Eigentumswohnungen, die entweder auf weitere Preisrückgänge hoffen oder aufgrund der stark gestiegenen Finanzierungskosten darauf angewiesen sind, zu niedrigeren Preisen zu kaufen, um sich die Immobilie überhaupt leisten zu können.
In dieser komplexen Situation haben bereits einige Entwickler Insolvenz anmelden müssen. Und ein Ende der Krise ist nicht absehbar, da die Europäische Zentralbank (EZB) weiterhin mit Zinserhöhungen auf die hartnäckige Inflation reagiert.
Anschlussfinanzierungen werden teurer
Die Phase der Preisfindung auf dem Immobilienmarkt ist noch nicht abgeschlossen. Obwohl der Markt allmählich beginnt, sich an diese Unsicherheit anzupassen, wird die Anzahl der Transaktionen in nächster Zeit höchstens leichtzunehmen.
Trotz ausbleibender Transaktionen und Bauverzögerungen haben Projektentwickler weiterhin Finanzierungsbedarf – im Gegenteil. Bereits gestartete Projekte müssen die Entwickler trotz erheblich gestiegener Baukosten in der Regel fortsetzen und benötigen dazu finanzielle Mittel, wie beispielsweise Überbrückungskredite. Anschlussfinanzierungen sind für auslaufende bestehende Kredite erforderlich, die aufgrund des deutlich gestiegenen Zinsniveaus nun wesentlich teurer werden. In einigen Fällen besteht die Notwendigkeit, trotz widriger Umstände neue Projekte anzugehen, insbesondere wenn Fördermittel – beispielsweise von der KfW – beteiligt sind und ansonsten verfallen würden.
Viele Projektentwickler erhalten in der aktuellen Situation kein zusätzliches Fremdkapital von Banken und sind daher auf frisches Eigenkapital angewiesen.
Eigenkapitalspritze mit Gewinnbeteiligung
Erhöhtes Risiko und verschärfte Finanzregulierung haben die Anforderungen an das Eigenkapitalniveau und dessen Qualität bei gewerblichen Immobilienfinanzierern gesteigert und die Beleihungsausläufe reduziert. Zusätzlich sinken oft die Werte der besicherten Immobilien. Im Fall einer anstehenden Anschlussfinanzierung kann daher weniger Fremdkapital gewährt werden, um übermäßig hohe Loan-to-Values zu vermeiden.
Insgesamt sehen sich Entwickler eher einer Eigenkapital- als einer Kreditklemme gegenüber. Die Chancen auf Fremdkapital steigen erheblich, wenn es gelingt, weiteres „echtes“ Eigenkapital einzubringen. Gekauftes Eigenkapital in Form von Mezzanine-Finanzierungen wird hingegen kaum noch akzeptiert.
Aktuell bieten sich verschiedene Wege zur Kapitalbeschaffung an. Zum einen können Entwickler sogenanntes Preferred Equity einbringen, eine eigenkapitalähnliche Struktur mit bevorzugter Verzinsung. Diese Form der Besicherung rangiert nach der Bank, aber vor dem „echten“ Eigenkapital. Zum anderen können Entwickler Joint-Venture-Partner einbinden oder von Anfang an mit anderen Entwicklern bei Neuprojekten kooperieren, um das erforderliche Eigenkapital gemeinsam aufzubringen. Bei diesen Lösungen müssen die Projektentwickler jedoch Gewinne teilen und den neuen Eigenkapitalgebern Mitspracherechte einräumen.
Mittelständler mit Regionalbezug sind die Gewinner
Die Geldgeber gewähren sowohl Eigenkapital als auch Fremdkapital nur für Projekte, die in der aktuellen Marktsituation Aussicht auf Rentabilität haben. Dabei ist für die Finanziers das gegenwärtige Mietniveau entscheidend, und nicht die Erwartung möglicher Mietsteigerungen. Projekte, die Nachhaltigkeitskriterien vernachlässigen, sind mittlerweile nicht mehr finanzierbar.
Insgesamt führen das Marktumfeld und die Finanzierungssituation zu einer Marktbereinigung in der Branche der Projektentwickler. Neben den bisherigen Insolvenzen sind weitere zu erwarten. Besonders gut durch die Krise kommen eigenkapitalstarke Entwickler, insbesondere kleine und mittelständische regionale Akteure, die den Markt genau kennen und etablierte Geschäftsbeziehungen zu lokalen Bauunternehmen haben. Hier zeigen sich auch regionale Banken weiterhin finanzierungsbereit.
Wie es in herausfordernden Marktbedingungen üblich ist, steigt der Bedarf an Beratung. Einerseits benötigen Projektentwickler einen Überblick über ihren Eigen- und Fremdkapitalbedarf und die besten Strategien, um diesen zu decken. Andererseits müssen sich Kapitalgeber mit Bereichen auseinandersetzen, die sie möglicherweise vernachlässigt oder sogar Personal abgebaut haben: notleidende Kredite und Restrukturierung.