Die Marathon-Anleihe bezeichnet eine Anleihe mit einer besonders langen Laufzeit. International nennt
man sie meistens marathon bond und hierzulande manchmal auch „Methusalem-Bonds“. Bei Marathon-
Anleihen sind Laufzeiten von 50 Jahren durchaus üblich, wenn keine andere Laufzeit schriftlich fixiert
wurde. Eine genaue Definition, ab welcher Gesamtlaufzeit eine Anleihe als Marathon-Anleihe bezeichnet
werden kann, gibt es zwar nicht, aber im Regelfall spricht man ab einer Laufzeit von 30 Jahren von
einer Marathon-Anleihe. Die Emittenten der Marathon-Anleihen sind meistens große Konzerne, aber
auch die öffentliche Hand gibt Marathon-Anleihen aus.
Inhalt
Was ist eine langfristige Anleihe?
Grundsätzlich ist eine Anleihe eine schuldrechtliche Verpflichtung eines Anleihengebers (Emittenten)
gegenüber einem Anleihekäufer. Letztgenannter hat also einen Anspruch darauf, dass sein investiertes
Geld (man spricht hier vom Nominalbetrag) verzinst wird und er es nach einer festgelegten Laufzeit
komplett zurückbekommt. Folglich besteht eine Anleihe aus ihrem Nennwert – der sich nach dem
Kaufpreis bemisst – sowie dem festgelegten Zins (dem Zinskupon). Die Zinsen werden bei den meisten
Marathon-Anleihen jährlich fällig, bei Anleihen mit kürzerer Laufzeit sind auch halb- oder vierteljährliche
Zinszahlungen üblich. Monatliche Zinsauszahlungen bilden dagegen die Ausnahme.
Von Anleihen-Arten, -Namen und -Rechten
Anleihen werden manchmal auch Bonds, Schuldverschreibungen, Obligationen oder Renten genannt. Es
gibt auch die unterschiedlichsten Anleihe-Typen. Bei Marathon-Anleihen sind diese drei die
Gebräuchlichsten:
- Firmenanleihen (vor allem börsennotierte, große Unternehmen)
- Öffentliche Anleihen (Bund, Land, Kommunen sowie größere Städte)
- Pfandbriefe
Im Unterschied zu Aktien erwirbt der Anleihekäufer keine Beteiligung an dem jeweiligen
Unternehmen, vielmehr ist er der Gläubiger des emittierenden Unternehmens. Wie hoch der Preis und die
Verzinsung einer Anleihe sind, wird in dessen Emissionsprospekt genau beziffert. Da deutsche Anleihen,
die an der Börse gehandelt werden der Finanzaufsicht BaFin unterliegen müssen die Herausgeber von
Anleihen diese durch einen Wirtschaftsprüfer kontrollieren lassen.
Was geschieht bei einer Unternehmensinsolvenz?
Bei einer Insolvenz werden zunächst die Ansprüche des Staates bedient, erst danach kommen die
Gläubiger und damit auch die Anteilseigner zum Zug. Anleihen zählen im Konkursfall allerdings zu den
sogenannten Nachrangdarlehen. Das heißt, die Ansprüche der Anleiheeigner sind gegenüber denen der
anderen Gläubiger nachrangig. Die einzige Ausnahme bilden hier die Pfandbriefe. Obwohl ebenfalls zu den
Anleihen zählend, werden sie von Banken ausgegeben. Die wiederum sind dazu verpflichtet, Pfandbriefe
vor Zahlungsausfällen bestmöglich abzusichern und diese aus dem Bankvermögen auszusondern. Geht
also die Pfandbriefbank in den Konkurs, bestehen sehr gute Aussichten, dass der Pfandbriefeigner
zumindest sein investiertes Kapital komplett zurück erhält.
Umwandlung der normalen Anleihe in eine Marathon-Anleihe
Manchmal – insbesondere bei klammen Unternehmen und Staaten – werden auch relativ kurzfristige Anleihen durch eine
Streckung der Laufzeit in Marathon-Anleihen umgewandelt. Dies geschieht bei Staaten in der Regel, um einen
Staatbankrott zu vermeiden sowie die heimische Wirtschaft und die hiesige Konjunktur zu unterstützen. So
verhandelt beispielsweise das hochverschuldete Griechenland mit seinen Gläubigern regelmäßig darüber,
ihre eigentlich bereits in wenigen Jahren zur Rückzahlung anstehenden Staatsanleihen erst nach 30
Jahren zurückkaufen zu müssen und solange auch sämtliche Zinszahlungen auszusetzen. Auf diesem
Wege der Fristverlängerung verwandeln sich Staatsanleihen mit normaler, sprich fünf bis zehn Jahre
währender Laufzeit in Marathon-Anleihen mit einer Laufzeit, die sich nach Jahrzehnten bemisst.
Staatliche Marathon-Anleihen
Staatliche Marathon-Anleihen sind erst in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen. Zuvor gab es sie
rund 50 Jahre lang praktisch nicht. So haben Frankreich, Italien und auch Großbritannien vor wenigen
Jahren Marathon-Anleihen erfolgreich am Markt platziert. Die französische Marathon-Anleihe mit ihrer
50jährigen Laufzeit war so beliebt, dass sie sogar dreifach überzeichnet wurde. Und dies, obwohl sie
gegenüber einer vergleichbaren Anleihe mit 30 Jahren Laufzeit nur einen minimal höheren
Renditeaufschlag bietet. Ähnlich Italien: das hochverschuldete Land gab 2016 erstmals in seiner
Geschichte eine Anleihe mit 50 jähriger Laufzeit heraus. Auch die war so begehrt, dass sie in kürzester Zeit
sechsfach überzeichnet wurde und 18,5 Milliarden Euro in die Staatskasse spülte. Auch Belgien und Irland
haben bereits im kleineren Umfang Marathon-Anleihen herausgegeben, allerdings wurden diese nicht am
Anleihenmarkt verkauft sondern privaten Investoren direkt verkauft.
Rekordhalter im Euroraum bezüglich der Marathon-Anleihen ist aber ein unerwartetes – da wirtschaftlich
gesundes Land: Österreich hat 2017 eine Staatsanleihe mit 100 Jahren Laufzeit herausgegeben
Die Verzinsung liegt hier nur bei etwa zwei Prozent, dennoch ist sie bei Anlegern beliebt. Auf diese Weise
will Österreich rund sechs Milliarden Euro dem Staatshaushalt zuführen. Damit ist Österreich das erste
Land der gesamten Euro-Zone, welches Anleihen mit hundertjähriger Laufzeit emittiert.
Vorteile der Marathon-Anleihe
Marathon-Anleihen haben eine etwas höhere Verzinsung als Anleihen mit kurzer Laufzeit. Die lange Laufzeit ist
Vor- und Nachteil zugleich. Vorteilhaft für den Käufer ist:
- Er muss sich für sehr viele Jahre nicht um seine Geldanlage kümmern
- Da vor allem staatliche Institutionen sowie sehr große Unternehmen Marathon-Anleihen emittieren,
ist die Gefahr eines Totalverlustes gering - Risikoarme und kontinuierliche Wertzuwächse
- Geringe Volatilität
- Garantierte Verzinsung
Die Kurse von Aktien und Devisen korrelieren miteinander: wenn die Aktien steigen, sinken tendenziell die
Anleihenkurse und umgekehrt. Ein solides Wertpapier-Depot besteht daher immer aus einer Mischung aus
Aktien und Anleihen, denn mit dieser Risikostreuung gleichen sich eventuelle Verluste gegenseitig aus.
Zusammengefasst gilt daher die alte Faustregel:
Wer gut essen will, kauft Aktien, wer gut schlafen will kauft Anleihen, wer sehr lange gut schlafen
will kauft Marathon-Anleihen.
Nachteile der Marathon-Anleihen
Eine über lange Jahre festgeschriebene Zinsbindung besitzt zwar den Vorteil der verlässlichen Kontinuität,
gerade in Zeiten hochvolatiler Märkte. Tritt allerdings eine länger andauernde Hochzinsphase ein,
verwandelt sich dieser Vor- in einen Nachteil, denn der Marathon-Anleihen-Halter hat von steigenden
Leitzinssätzen keinen Vorteil. So wirft die beschriebene 100 jährige Österreich-Anleihe jährlich nur zwei
Prozent Zinsen ab, was in der langfristigen Betrachtung äußerst bescheiden ist. Denn das seit Jahren
andauernde Zinstief bildet aus wirtschaftshistorischer Sicht eine einzigartige Ausnahme. Alle
Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass diese Phase über kurz oder lang von einer
Hochzinsphase abgelöst wird. Noch weiß Keiner, wann dies der Fall sein wird. Aber wenn der Markt
irgendwann Anlagekapital wieder mit vier, fünf oder noch mehr Prozent verzinst, muss sich der Halter der
österreichischen Marathon-Anleihen nach wie vor mit seinen zwei Prozent bescheiden – und das eventuell
über viele Jahrzehnte.
Marathon-Hybridanleihen
Marathon-Anleihen als lang laufendes Finanzierungsinstrument werden bei Staaten und Unternehmen
immer beliebter. Bei den Aktien-ähnlichen Hybridanleihen sind die Zinszahlungen an bestimmte
Unternehmenskennziffern respektive Dividendensätze gebunden. Dies bedeutet, dass es zu keiner
Zinsausschüttung kommt, wenn es dem Unternehmen schlecht geht. Da die Hybridanleihen also keine
festen Tilgungszeiten vorsehen und auch keine Laufzeitbegrenzung aufweisen, lassen sie sich durch die
Vereinbarung einer variablen Verzinsung beliebig lange verlängern. Solche Hybridanleihen haben
grundsätzlich eine sehr lange Laufzeit und bieten eine etwas bessere Verzinsung als normale Marathon-Anleihen.
Ihre Besonderheit besteht darin, dass sich der Emittent ein vorzeitiges Kündigungsrecht nach etwa
sieben bis zehn Jahren einräumt. Nimmt der Emittent dieses Kündigungsrecht nicht in Anspruch,
wird der Zinssatz erneut gemäß den aktuellen Zinssätzen (Auf Basis von Euribor) festgelegt.
Die Laufzeit solcher Hybridanleihen lässt sich problemlos auf weit über 100
Jahre verlängern. Bei einer besonders langen Laufzeit nennt man sie manchmal auch Marathon-
Hybridanleihe. Der große Vorteil für das Unternehmen besteht darin, dass diese Hybridanleihen von
Ratingagenturen in Teilen als Eigenkapitalersatz eingestuft werden. Folglich sinkt dadurch der
Verschuldungsgrad des Unternehmens (zumindest auf dem Papier), so dass es frische Kredite zu
günstigeren Konditionen erhalten kann.