Von einer Abgabeneigung wird an der Börse gesprochen, wenn die Tendenz zu Verkäufen die der Käufe übersteigt. Es herrscht ein Überhang von Angeboten, der die Nachfrage nach Aktien übersteigt, also eine Neigung zu Abgaben anstelle von Käufen. In der Folge kommt es zu einem Absinken der Kurse. Zu einer Abgabeneigung kann es marktumfassend an den Börsen kommen, ebenso aber bei einzelnen Wertpapieren oder bei Aktien von größeren Industriebereichen und Branchen. Kommt es über längere Zeiträume zu einer marktumfassenden Abgabeneigung, wird von einer Baisse oder dem Bärenmarkt gesprochen als Bezeichnung eines länger währenden Kursverfalls. Die gegenteilige Entwicklung der Baisse ist die Hausse oder der Bullenmarkt, bei der es zu einem länger anhaltenden Anstieg der Kurse bestimmter Wertpapiere, Aktien von Branchen oder allgemein und marktumfassend, kommt.
Inhalt
Bärenmarkt und Bullenmarkt – Baisse und Hausse an der Börse
Symbolisch werden die Marktzustände an der Börse Baisse (Abgabeneigung) und Hausse (Kurs-Hoch) durch die Tiere Bär und Bulle gekennzeichnet. Der Bär schlägt gewöhnlich mit den Pranken seine Beute nieder. Dieses Verhalten steht für ein Tief der Preise an der Börse oder die Baisse. Der Bulle dagegen stößt mit den Hörnern nach oben, was als Vergleich zum Anstieg der Kurs durch gesteigerte Käufe, die Hausse, herangezogen wird. Auf die Börse bezogen wird jeweils vom Bärenmarkt oder vom Bullenmarkt gesprochen.
Sowohl bei der Baisse wie bei der Hausse handelt es sich immer um Entwicklungen, die über längere Zeit an der Börse anhalten. Kurzfristige Schwankungen sind dagegen an den Börsen normal und können auch im Zuge einer Abgabeneigung oder der Neigung zu Käufen gegenteilig auftreten. So kann es während einer Baisse durchaus kurzzeitig zu allgemein oder bei einigen Branchen zu Kursanstiegen und vermehrten Käufen kommen und bei der Hausse zu einer kurzfristigen Abgabeneigung bei einzelnen oder Branchen-Aktien. Die Tendenz in ihrer Gesamtheit wird dadurch nicht berührt.
Von einem Bärenmarkt oder Bullenmarkt wird vornehmlich beim Börsenhandel mit Aktien gesprochen. Die Begriffe tauchen allerdings auch bei Entwicklungen der entsprechenden Tendenzen auf dem Markt für Rohstoffe und Edelmetalle auf. Solche Entwicklungen an den Börsen werden durch verschiedene Ursachen in Gang gesetzt. Das sind zum Beispiel:
- Länger anhaltende Entwicklungen der Konjunktur
- Veränderungen bei den Rahmenbedingungen der Wirtschaftspolitik, Geldpolitik
- Künstlich beeinflusste Stimmungen an den Börsen durch massenhafte Käufe oder Verkäufe
Gibt es über längere Zeit keine anhaltende Tendenz in die eine oder in die andere Richtung, wird von einem Seitwärtsmarkt gesprochen.
Die Reaktionen an den Börsen auf wirtschaftliche Entwicklungen sind sehr empfindlich. Bereits bevorstehende Entwicklungen der Konjunktur zeichnen sich gewöhnlich an der Börse ab. Die Anleger reagieren bereits auf die Erwartung von konjunkturellen Veränderungen. Steht eine Abschwächung der Konjunktur bevor, werden schon Monate vor dem eigentlichen Eintritt des Konjunkturtiefs in großem Maß Verkäufe getätigt. Allein die Hinweise, die entsprechende Wirtschaftsdaten, aber auch Börsengerüchte liefern, sorgen dafür, dass die Anleger vorsorglich gut verkaufen werden, um sich vor folgenden Verlusten durch Kursabfälle zu schützen. Finanzpolitische Entscheidungen wie die Erhöhung von Zinsen und höhere Belastungen durch Steuern belasten die Gewinne der Unternehmen und fördern eine Baisse. Investitionen werden vorsichtiger gehandhabt. Bei nachlassender Konjunktur ist zu erwarten, dass unternehmerische Expansionen begrenzt werden. Statistiken bestätigen die enge Verknüpfung von nachlassender bis schwacher Konjunktur und der Reaktion an der Börse durch Abgabeneigung, sprich Baisse.
Umgekehrt zeigt die Statistik auch den Einfluss eines Hochs bei der Konjunktur, Senkung der Zinsen und der Hausse, dem Bullenmarkt, an der Börse. Auch hier reagiert die Börse bereits auf die ersten Anzeichen einer kommenden guten Konjunktur. Die Anleger kaufen Aktien, möchten über die Kurssteigerungen an den Unternehmensgewinnen teilhaben.
Beide Entwicklungen, wenn sie längerfristig sind, treiben sich dann faktisch im Selbstlauf an. Eine einsetzende Abgabeneigung wirkt ebenso „ansteckend“ auf die Aktienverkäufe wie die Käufe bei Aussichten auf eine Hausse. Die Börse wartet nicht, bis eine angekündigte Entwicklung eingetreten ist, sondern reagiert vorweg. Herrschte über lange Dauer eine Baisse, sind die Aktienkurse auf einem Tiefstand. Lässt sich nun eine wirtschaftliche Erholung nur erahnen, nutzen die Anleger die Möglichkeit, jetzt noch Aktien günstig zu kaufen, um später höhere Gewinne zu generieren.
Baisse endet schneller als Hausse
Wie Langzeitbeobachtungen S&P 500 an der Börse zeigen, verliefen während der letzten 100 Jahre die Bärenmärkte mit kürzerer Dauer als die Bullenmärkte. Während die Zeiten der Abgabeneigung im Durchschnitt nur 1,4 Jahre betrugen, dauerte die Hausse oft über 8 Jahre an. Das ist auch verständlich, wird diese Entwicklung von der rein wirtschaftlichen und finanzpolitischen Warte aus betrachtet. Unternehmen wie Staaten sind daran interessiert, dass Zeiten einer schlechten Konjunktur mit geminderten Gewinnen, begrenzten wirtschaftlichen Expansionen überwunden werden. Sie setzen die verschiedensten Hebel an, um die Konjunktur auf längere Sicht wieder anzukurbeln. Dagegen besteht bei einem Hoch der Konjunktur mit durchschnittlich gesunden, stabilen Gewinnen und folglich auch höheren staatlichen Einnahmen kaum Neigung, die günstige Entwicklung zu beenden.
Die Auswirkungen der kürzeren Baisse sind allerdings oft sehr durchschlagend. In kürzester Zeit können bei einer einsetzenden Baisse an der Börse hohe Gewinne zunichte gemacht werden. Die letzte große Baisse in den Jahren von 2007 bis 2009 dauerte nur zwei Jahre. Keine Zeit im Vergleich der sehr langen danach folgenden Hausse. Allerdings verbrannten im Verlauf der Finanzkrise Börsengewinne auch von großen Anlegern im Nu. Der Abwärtstrend durch die Abgabeneigung ist meist sehr rasant. Werden hohe Verluste geahnt, kann nicht schnell genug verkauft werden. Allerdings können die Aktien gar nicht so schnell wie gewünscht verkauft werden, so lange sich die Verluste noch im Rahmen halten könnten. Es fehlen die Käufer für die Papiere, von denen keinen weiß, wie tief sie noch im Kurs fallen werden. Lediglich Spekulanten setzen dann auf Käufe oder Aktienkäufer, die damit Einflussfelder in großen Unternehmen und Branchen zu ihren Gunsten verändern wollen oder Übernahmen planen. Die Kursverluste sind besonders empfindlich, weil nicht selten eine Baisse einsetzt, wenn es im Zuge einer Hausse geradezu zu einer Euphorie gekommen ist.
Der Wechsel zwischen Baisse und Hausse, Bärenmarkt und Bullenmarkt, wohnt dem Börsenhandel inne. Die beiden Marktsituationen befinden sich an der Börse in einem regelmäßigen Wechsel. Unweigerlich folgt einer langen Hausse, auch wenn sie wie derzeit nicht so euphorisch wie in vergangenen Zeiten ist, irgendwann eine Baisse. Neben den wirtschaftlichen und geldpolitischen Einflüssen wird die Börse noch von vielen, ihr eigenen Antrieben bewegt.
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