Um den Begriff „außerordentliche Tilgung“ zu erklären, muss zunächst geklärt werden, was Tilgung bedeutet. Tilgung bezeichnet den Vorgang, einen vorher definierten Betrag von einem Darlehen, einer Anleihe oder von einem Kredit zurückzuzahlen. Die ordentliche Tilgung erfolgt geplant und regelmäßig. Hierzu werden im entsprechend im Vertrag (Kredit, Anleihe, Darlehen) Vereinbarungen zur Höhe der Rate und zur Häufigkeit, beziehungsweise dem Intervall getroffen. Diese Regelungen werden allgemein als Tilgungsplan bezeichnet und können unter bestimmten Bedingungen während der Kreditlaufzeit angepasst werden. Derselbe Vertrag enthält auch Vereinbarungen, die Häufigkeit und Höhe der außerordentlichen Tilgung regeln. Zudem ist im Vertrag auch geregelt, ob eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung zu leisten ist, wenn eine außerordentliche Tilgung geleistet wird.
Die Vorfälligkeitsentschädigung wird nur bei bestimmten Kreditformen und entsprechenden Vertragsvereinbarungen fällig. Im Vertrag kann so zum Beispiel vereinbart sein, dass der Darlehensnehmer einmal pro Kalenderjahr die Möglichkeit zur außerordentlichen Tilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung hat. Oder es ist geregelt, dass eine außerordentliche Tilgung nur einen bestimmten Prozentsatz der Restsumme pro Jahr haben darf. Die verschiedenen Kreditinstitute bieten hier oft sehr unterschiedliche Vertragsmodelle an. Möchte der Darlehensnehmer eine außerordentliche Tilgung tätigen, die sich in Häufigkeit oder Höhe von den festgelegten Rahmenbedingungen unterscheiden, benötigt er die Zustimmung des Darlehensgebers und muss die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung zahlen.
Bei der Vorfälligkeitsentschädigung handelt es sich um eine Zahlung, die den Verlust der Bank ausgleichen soll. Durch eine außerordentliche Tilgung verringert sich die Restschuld des Darlehens oder Kredits und minder somit die Zinserträge, die der Geldgeber beim Vertragsabschluss zu erwarten hatte. Hierfür wird eine Entschädigung gefordert. Die Vorfälligkeitsentschädigung kommt vor allem zum Tragen, wenn durch die außerordentliche Tilgung nicht nur ein Teil der Restschuld abgelöst wird, sondern der gesamte noch ausstehende Betrag ausgeglichen wird. Die Höhe dieser Entschädigung richtet sich neben gesetzlichen Regelungen nach den im Vertrag vereinbarten Bedingungen.
Bei Verbraucherkrediten sieht die gesetzliche Regelung einen Satz von 1 % des restlichen Betrages vor. Ist die Restlaufzeit des Kreditvertrages bei unter 12 Monaten, senkt sich dieser Satz auf 0,5 %. Je nach Kreditform und Vertragsbedingungen können die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu außerordentlichen Tilgungen und der Fälligkeit von Vorfälligkeitsentschädigungen variieren. Ist eine möglichst flexible Rückzahlung durch häufige außerordentliche Tilgungen für den Kreditnehmer wichtig, da unregelmäßige Zahlungseingänge, zum Beispiel durch Gewinne aus Aktienverkäufen oder Bonuszahlungen zu erwarten sind, sollte beim Vertragsabschluss genauestens auf die Regelungen für außerordentliche Tilgungen geachtet werden.
Eine außerordentliche Tilgung stellt also eine Tilgung da, die nicht den vereinbarten Bedingungen, bezüglich der regelmäßigen beziehungsweise ordentlichen Tilgung, zur Höhe der Rate und oder dem festgelegten Zeitintervall entspricht.
Besonderheit Immobiliendarlehen
Neben den vertraglich festgelegten Möglichkeiten zur Sondertilgung, ist die Rückzahlung durch außerordentliche Tilgung bei einem Immobiliendarlehen nur dann möglich, wenn keine sogenannte Zinsbindung vereinbart worden ist. Da Immobilienkredite oft eine lange Laufzeit haben, einigen sich die Vertragspartner beim Abschluss meist auf einen festen Zinssatz für 10 Jahre. Dies geschieht um die Ratenhöhe konstant zuhalten. Nach Ablauf dieser Zinsbindung wird für den nächsten Zeitraum erneut ein Zinssatz festgelegt. Zu diesem Verhandlungstermin können außerordentliche Tilgungen vorgenommen werden.
Handelt es sich um ein Zuteilungsdarlehen, ist eine außerordentliche Tilgung zu jedem Zeitpunkt möglich. Ein Zuteilungsdarlehen wird von einer Bausparkasse gewährt. Bei einem sogenannten Bausparvertrag wird, durch Einzahlungen in vorher festgelegter Höhe, ein Betrag von meist 50 % der Darlehenssumme angespart. Dadurch wird der Bausparvertrag zuteilungsreif und die Darlehenssumme (also 100%) wird ausgezahlt. Der Darlehensnehmer zahlt anschließend weiterhin seine Raten, bis das Darlehen abgelöst ist. Ein Bausparvertrag ist eine langfristige und vorausschauende Möglichkeit, Gelder für ein Wohnungsprojekt anzusparen. Es bietet sich daher an, schon in jungen Jahren einen Bausparvertrag abzuschließen und so das für einen Hausbau benötigte Kapital schon teilweise im Vorfeld zu beschaffen.
Im Vertrag wird auch geregelt, wie nach einer außerordentlichen Tilgung verfahren wird. Die üblichen Möglichkeiten stellen entweder Laufzeitverkürzung bei gleichbleibender Ratenhöhe oder Minderung der Ratenhöhe bei gleichbleibender Laufzeit dar. So wird der Kredit entweder schneller abbezahlt, und der Kreditnehmer kann schneller wieder über die Mittel verfügen, die er bisher für die Tilgung aufgewendet hat, oder die Belastung durch die Raten wird vermindert. Dies ist vor allem dann ein Vorteil, wenn sich die Lebenssituation des Kreditnehmers verändert hat. Solche Veränderungen können zum Beispiel durch einen Arbeitsplatzwechsel oder die Geburt eines Kindes entstehen. Bei den Vertragsverhandlungen und -bedingungen sollte der Kreditnehmer sich ausführlich beraten lassen. Auch sollten Angebote von verschiedenen Kreditinstituten eingeholt und verglichen werden, um den passenden Kredit zu finden.
Löst die außerordentliche Tilgung den gesamten Restbetrag ab, spricht man bei dieser Sondertilgung von einer Kreditablöse. Besonders interessant sind solche Ablösungen für Kredite mit hoher Restlaufzeit und oder hohen Zinssätzen. Durch die Aufnahme eines Kredits mit besseren Bedingungen bezüglich Zins- und Ratenhöhe kann der „teurere“ Kredit abgelöst werden und so die Liquidität des Kreditnehmers verbessert werden. Ist die Ablösung eines Kredits durch außerordentliche Tilgung möglich, sollte der Kreditnehmer regelmäßig Angebote zu Krediten einholen, um durch Aufnahme eines Kredits mit besseren Konditionen langfristig Geld einzusparen.
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