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Was bedeutet Bonitätsabhängiger Zinssatz?
Der Zinssatz eines Kredites ist grundsätzlich vom Zahlungsausfallrisiko des Schuldners abhängig. Der bonitätsabhängige Zinssatz beschreibt dabei, dass die Höhe des Zinses von der Bonität des Schuldners abhängt. Ist dessen Zahlungsfähigkeit eingeschränkt, oder stark vermindert, so steigt in der Regel der Zinssatz, da der Schadensfall mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Der Ratenkredit war dabei in Deutschland bis Ende des 20. Jahrhunderts eine Besonderheit. Bei diesem waren die Konditionen nicht von der Zahlungsfähigkeit abhängig. Seit einigen Jahren werden jedoch auch immer mehr bonitätsabhängige Zinssätze bei Ratenkrediten angewandt. Der Zinssatz ist hierbei stark beeinflusst von der Kreditwürdigkeit des Kundens.
Der bonitätsabhängige Zinssatz bei Firmenkunden
Bei Firmenkunden ergibt sich die Kreditwürdigkeit und damit schlussendlich der Zinssatz nach dem Rating der Firma. Das Rating beschreibt hierbei das individuelle Kreditrisiko des Schuldners. Ratings werden von einigen privaten Unternehmen durchgeführt. In Deutschland ist dafür maßgeblich die Schufa zuständig. Sie besitzt Datensätze zu über 5 Millionen Unternehmen in Deutschland mit derer Hilfe die Zahlungsfähigkeit bewertet werden soll. Mit Hilfe dieser Informationen können Kreditinstitute den Zinssatz kalkulieren. In der Kalkulation wird jedoch nicht nur das Zahlungsausfallrisiko, sondern auch die Risikoprämie berücksichtigt. Der Credit Spread bei verbrieften Forderungen entspricht hierbei der Risikoprämie. Aus diesen Informationen wird der individuelle bonitätsabhängige Zinssatz gespeist.
Zinssätze bei Privatkunden
Eine individuelle Behandlung von Privatkunden mag zwar sinnvoll sein, jedoch ist diese Behandlung auch sehr kostenintensiv. Aus diesem Grund wurden sämtliche Produkteigenschaften für alle Kunden einer Bank weitestgehend vereinheitlicht. Es wird hierbei auch vom standardisierten Privatkundengeschäft gesprochen.
Es stehen hierbei keine individuellen Produkte oder Leistungen im Vordergrund, sondern der Vertrieb von standardisierten Produkten. Hauptaugenmerk sind hierbei Kunden, die über ein niedriges oder gar kein Einkommen verfügen.
Als Produkte kommen hier zum Beispiel Kreditkarten oder Sparkonten in Frage. Zusätzlich können auch Bausparverträge, Investmentfonds und Versicherungen vertrieben werden. Das finanzielle Volumen jedes einzelnen Geschäftes ist aus Sicht des Kreditinstitutes jedoch relativ gering. Die Rendite ergibt sich vor allem aus der hohen Stückzahl. Da standardisierte Produkte angeboten werden, ist es möglich eine hohe Stückzahl in kurzer Zeit zu vertreiben. Teilweise werden diese Produkte zur weiteren Kostensenkung auch ohne Beratung vertrieben. Im Vordergrund steht hierbei immer mehr das Internet mit seinen Vertriebswegen.
In Deutschland waren der Ratenkredit und der Dispositionkredit beispielhaft für solch ein standardisiertes Produkt. Der Dispositionskredit beschreibt die Überziehungsmöglichkeit eines Girokontos. Nachdem die Zahlung des Gehaltes in den 1950er Jahren nicht mehr vorwiegend in Bar, sondern per Überweisung getätigt wurden, wurden die Girokonten immer beliebter. So gab es im Jahre 1958 in Deutschland bereits um die 4,7 Millionen Girokonten. Das Überziehen des Girokontos, stand zu diesem Zeitpunkt noch eng zum Verhältnis zum monatlichen Lohn. Erst 1968 führte die Kreissparkasse Köln den Dispositionskredit in seiner heutigen Form ein.
Der Dispositionskredit ist als spezifischer Verbraucherdarlehensvertrag qualifiziert. Die Überziehungsmöglichkeit ist in § 504 BGB geregelt und beschreibt, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer das Recht einräumt, bis zu einer bestimmten Höhe sein Konto zu überziehen. Es dürfen dem Darlehensnehmer jedoch keine weiteren Kosten als die des Zinses berechnet werden. Zudem dürfen die Zinsen nur in Drei-Monats Perioden belastet werden. Vor der Inanspruchnahme des Dispositionskredites muss das Kreditinstitut den Kontoinhaber zudem noch über die Höchstgrenze des Darlehens, den Jahreszins, Bedingungen zur Änderung des Zinssatzes, sowie die Regelungen der Vertragsbeendigung unterrichten.
Die Zinssätze des Ratenkredites und des Dispositionskredites waren einheitlich für alle Kunden einer Bank gestaltet. Grundlage war hier, dass eine individuelle Kreditrisikoabschätzung nicht wirtschaftlich gewesen wäre. Der wirtschaftliche Mehrgewinn, der sich durch eine individuelle Bewertung ergeben hätte, wäre nicht durch die Kosten gedeckt die durch den zusätzlichen Aufwand entstehen würden.
Dennoch gab es abgesehen vom bonitätsabhängigen Zinssatz auch andere Sicherheitsmaßnahmen, die in die selbe Richtung zielten. So kann auch die Risikopolitik eines Kreditinstitutes als unterschiedlich betrachtet werden. Einige Kreditinstitute waren hierbei risikofreudiger und stellten geringere Anforderungen an die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer. Je niedriger diese Aufnahmeschwelle war, desto höher mussten allerdings auch die Zinssätze ausfallen. So war es generell von Vorteil, wenn Kunden die Banken aufsuchten, deren Anforderungen sie gerade noch erfüllten. Aus marktwirtschaftlicher Sicht hatten sie die Freiheit das für sich passendste Angebot wahrzunehmen. Gerade Kunden mit guter Bonität konnten dabei aus einem vielfältigen Angebot wählen. Kreditnehmer mit schlechter Bonität mussten jedoch die schlechten Zinssätze einiger Banken akzeptieren und mit ihren Bedingungen leben.
Heutige Bewertung des Kreditrisikos
Heutzutage ist die individuelle Abschätzung des Kreditrisikos allerdings nicht mehr mit einem enormen Aufwand verbunden. Die meisten Informationen können online gegen Gebühr abgefragt werden. So kann mit Hilfe eines Datensatzes oder eines Ratings einer unabhängigen Auskunftei bereits eine gute und vor allem genaue Abschätzung des Kreditrisikos vorgenommen werden. Die Kosten die sich aus dieser individuellen Einschätzung ergeben sind um einiges geringer als noch zu Beginn der Einführung des Raten- oder Dispositionskredites.
Vorteile erhalten Banken, die Kreditrisiken mit eigenen Modellen messen und steuern zudem bei den Vorschriften des Basel II. Diese Vorschriften beziehen sich hierbei auf das Eigenkapital der Banken.
Der bonitätsabhängige Zinssatz in der Praxis
In der Realität wird die Bewertung mittels eines Scorings ermittelt. Das Scoring als finales Ergebnis beschreibt das zu erwartende Kreditausfallrisiko. Für den Kunden von Nachteil allerdings ist, dass diese Bewertungssysteme für ihn nicht transparent sind. Wie die eigentliche Kreditrisikoeinschätzung erfolgt ist dabei Betriebsgeheimnis der Bank. Das eigentliche Bewertungsschema variiert ebenfalls stark von Bank zu Bank. Die eigentliche Information die dem Kunden bereitgestellt wird, ist der finale Zinssatz. Dafür muss er allerdings selbstständig einige Daten den Banken überlassen.
Der Zinssatz in der Werbung
Normalerweise wollen Banken mit einem möglichst niedrigem Zinssatz viele Kunden an ihre Produkte binden. Um auf die Finanzprodukte aufmerksam zu machen versuchen sie also die Zinssätze werbewirksam einzusetzen. Da bei einem individuellem Zinssatz allerdings kein Zinssatz genannt werden kann, ergeben sich für Banken Probleme in der Werbewirksamkeit.
In der Vergangenheit haben sie daher oftmals mit dem niedrigsten möglichen Zinssatz geworben. Dies stand allerdings in der Kritik, da ein Großteil der Kunden einen höheren Zinssatz in Kauf nehmen mussten.
Daher hat der deutsche Gesetzgeber im Jahre 2010 entschieden, dass Banken deutlich darauf hinweisen müssen, dass der Zins bonitätsabhängig ist. Banken dürfen nur mit einem Zinssatz werben, insofern dieser auch von mindestens zwei Dritteln der abgeschlossenen Verträge auch erreicht wird.
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