Hinter dem Begriff Mehrzuteilungsoption wird auch eine Over-allotment-Option oder Greenshoe-Option verstanden. Hierbei handelt es sich um eine besondere Wertpapier Platzierungsreserve einer Aktiengesellschaft (Emittenten) im Rahmen eines Börsenganges bei einem sogenannten Bookbuilding-Verfahrens. Im Grunde ist es eine Call-Option, bei der der Konsortialbank als Lead-Underwriter das Recht eingeräumt wird, auch noch nachträglich eine bestimmte Anzahl an Aktien zum festgelegten Emissionspreis kaufen zu können. Der Name stammt von gleichnamigen englischen Unternehmen Greenshoe, welches 1960 beim Börsengang erstmals diese Art von Vertrag unterzeichnet hatte.
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Wie funktioniert die Mehrzuteilungsoption?
Wenn eine Neuemission überzeichnet ist, bedeutet dies, dass die Nachfrage nach den ausgegebenen Aktien größer war als das ursprüngliche Angebot (sogenanntes Underpricing). Die beteiligten Konsortialbanken können daher noch zusätzliche Aktien zu denselben Preisen wie bei der Erstausgabe ausgeben, obwohl vielleicht der Kurs schon gestiegen ist. Diese nehmen eine vorher festgelegte Mehrzuteilungsoption in Anspruch, die als zusätzliche Reserve an Wertpapieren zur Verfügung steht. Grund für diese Vorgehensweise ist natürlich in erster Linie die Befriedigung der Nachfrage und gleichzeitig eine Stabilisierung des Kurses. Allzu große Schwankungen direkt nach der Aktienemission sollen hiermit vermieden werden. Interessant ist, dass die Mehrzuteilungsoption bis zu 6 Wochen nach dem Börsengang ausgeübt werden kann. Üblich ist jedoch meist eine Laufzeit von bis zu 30 Tagen. Die sogenannte Greenshop-Option liegt nach internationalem Standard zwischen 10 und 15 Prozent der ausgegebenen Aktien.
Auf der anderen Seite kann es aber auch bedeuten, dass im Rahmen dieses Bookbuilding-Verfahrens die Nachfrage nicht so hoch ist. In diesem Fall wird die Mehrzuteilungsoption einfach nicht eingelöst. Ein Einlösen der Mehrzuteilungsoption hätte zur Folge, dass zusätzliche Wertpapiere auf den Markt geworfen würden und die Gefahr bestünde, dass der Preis der Einzelaktie sinken würde. Eine solche Entwicklung ist bei einer geringen Nachfrage, bei der ehedem ein niedriger Aktienpreis besteht, nicht erwünscht.
Wie ist Greenshoes aufgebaut?
Üblicherweise bestehen die Aktien bei einem neuen Börsengang aus sogenannten jungen Aktien. Diese entstehen im Zuge einer Kapitalerhöhung eines Unternehmens kurz vor dem Börsengang. Beim Greenshoe handelt es sich dagegen um alte Aktien, die von einem erfahrenen Altaktionär zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus kann es sich beim Greenshoe aber auch aus jungen Aktien handeln, welche im Rahmen einer zusätzlichen Kapitalerhöhung als Mehrzuteilungsoption emittiert werden. Es sind auch Mischungen aus beiden Formen möglich. Im letzteren Fall führt dies jedoch zu nur beschränkt ausführbaren Kursstabilisierungen.
Die Kurssicherung durch Mehrzuteilungsoptionen
Greenshoes werden ebenfalls eingesetzt, um den Kurs gegen sinkende Kurse zu sichern. In diesem Fall besteht der Greenshoe aus einer Wertpapieranleihe, die von einem dritten Aktionär stammt, der sich verpflichtet hat, die Aktien bei einer erfolgreichen Wertpapieremission zu verkaufen. Dies ist vergleichbar mit einem umgekehrten Open Offers. Das emittierende Unternehmen platziert seine Emission und den gesamten Greenshoe in der Hoffnung, dass diese vom Aktienmarkt gut aufgenommen wird. Falls keine Kursstabilisierung eintritt und der Kurs weiter sinken sollte, so hat die für die Kursstabilisierung zuständige Konsortialbank Sorge zu tragen, dann die Aktien nach einer gesetzlichen Frist von 30 Tagen wieder zurückgekauft werden können. Sie gibt die geliehenen Aktien wieder zurück. Dabei hat sie durch eine positive Differenz der Posten Platzierungspreis, Rückkaufpreis und Werpapierleihgebühren sogar einen kleinen Gewinn zu verzeichnen.
Die Vor- und Nachteile von Mehrzuteilungsoptionen
Der große Vorteil von Greenshoes ist seine hohe Flexibilität. Damit kann kurzfristig auf steigende oder fallende Nachfragen nach den betreffenden Aktien reagiert werden. Für das Aktienunternehmen (Emittenten) und die begleitenden Banken besteht auf diese Weise die Möglichkeit, eine sehr große Anzahl an Aktien platzieren zu können. Der Risikopuffer kann gleichzeitig erweitert werden. Im Falle einer geringen Aktiennachfrage wird auf die Ausübung des Greenshoes einfach verzichtet. Dennoch ist eine erfolgreiche Platzierung, welche zum Teil eine leichte Überzeichnung erfährt, möglich.
Wenn diese Mehrzuteilungsoption mit der Emission von jungen Aktien verbunden ist, das besteht jedoch häufig ein gewisser Verwässerungseffekt. Die anderen Aktionäre sehen diesen oft als negativ an.
Die Mehrzuteilungsoption der Konsortialbank bei Börsengang durch Kapitalerhöhung
Nach einem BGH-Beschluss vom 21.07.2008 – II ZR 1/07 (LG Berlin), ZIP 2009, 913 = WM 2009, 951 wurden die §§ 202, 204 und 255 Abs. 2 AktG näher untersucht. Danach kann eine Mehrzuteilungsoption den Konsortialbanken bei einem Börsengang nicht nur im Wege der sogenannten Aktienleihe durch Altaktionäre, sondern ebenfalls von der Aktiengesellschaft durch eine Kapitalerhöhung eingeräumt werden.
Interessant ist, dass die Beschaffung der für eine solche marktübliche Mehrzuteilungsoption erforderlichen Jungaktien kann auch im Rahmen eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss durch die Hauptversammlung bei gleichzeitiger Ermächtigung des Vorstands zur Entscheidung über die Bedingungen der Aktienausgabe nach den vorgenannten Paragraphen erfolgen. In einem solchen Fall kann eine Anfechtung des Hautversammlungs-Beschlusses nicht auf eine Unangemessenheit der Ausgabemodalitäten nach § 255 Abs. 2 AktG gestützt werden.
Beispiel für eine Mehrzuteilungsoption
Im Oktober 2018 ist zum Beispiel bei einem Börsengang des deutschen Herstellers für Bremssysteme für Schienen- und Nutzfahrzeuge die Mehrzuteilungsoption nahezu vollständig ausgeübt worden. Die die Ausübung der Mehrzuteilungsoption belief sich das Gesamtvolumen der Emission von Knorr-Bremse auf etwa 3,85 Milliarden Euro. Hieraus ergab sich ein Streubesitz von knapp 30 %, wie seinerzeit das Münchner Traditionsunternehmen bekannt gab. Gleichzeitig sei die Stabilisierungsperiode im Oktober 2018 beendet worden. Somit konnten das Unternehmen im Oktober seinen gebührenden Einstand an der Frankfurter Börse geben. Knorr-Bremse war 2018 der zweitgrößte Börsengang in Deutschland. Mit 4,2 Milliarden Euro konnten lediglich die Siemens-Medizintechnik-Tochter Healthineers vorbeiziehen.
Auch bei der Baufinanzierung gibt es Mehrzuteilungsoptionen
Tatsächlich gibt es den Begriff auch in der Baufinanzierung. So können einige Bausparkassen eine solche Mehrzuteilungsoption anbieten. Dies bedeutet, dass der Kunde bzw. Sparer bei diesen Tarifen einen höheren Darlehensanspruch erwerben kann. Die Folge ist eine besondere Auszahlung, die letztlich höher ist als die Bausparsumme. Zu den Vorteilen gehören in diesem Fall die niedrigen Abschlussgebühren und meist die geringe Ansparrate. Einziger Nachteil ist, dass die Abschlussrate sehr hoch ist, die der Sparer dann zu tilgen hat.
In heutiger Zeit sind die Zinsen sehr niedrig. Aus diesem Grund macht es Sinn, sich über eine Mehrzuteilungsoption Gedanken zu machen. Hiermit können Sparer sich den günstigen Zins einer Bausparkasse für lange Zeit im Voraus sichern.
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