Bei einer Prozessfinanzierung werden im Gegensatz zu einer Rechtschutzversicherung keine
regelmäßigen Beitragszahlungen erhoben. Alle- anfallenden gerichtlichen Kosten, beispielsweise
Gerichtskosten, Kosten für Anwälte, Zeugen, Sachverständige, werden durch den
Prozessfinanzierer, meist wird diese Dienstleistung von spezialisierten Unternehmen angeboten,
bei negativem Ausgang einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzung
übernommen. Bei einem gewonnenen Prozess wird vom Prozessfinanzierer eine sogenannte
Beteiligungsqquote, die mithilfe eines Prozentsatzes am Gesamterlös bzw. Prozessgewinns
berechnet wird, einbehalten.
Diese Finanzdienstleistung kann bei privaten und gewerblichen Gerichtsverfahren in Anspruch
genommen werden. Der Betroffene muss hierbei einen Antrag auf Kostenübernahme beim
betreffenden Dienstleistungsunternehmen stellen. Dieses prüft den Sachverhalt juristisch und stellt
sich bei positiver Prüfung für als Prozessfinanzierer zur Verfügung.
Inhalt
Prozessfinanzierung in Deutschland
Die Prozessfinanzierung durch spezialisierte Unternehmen ist in den USA bereits lange Zeit
übliche Praxis. In Deutschland ist der Markt noch verhältnismäßig jung. Erst gegen Mitte/Ende der
1990er Jahre etablierte sich in Deutschland das erste Unternehmen für die Prozessfinanzierung,
die Foris AG. Inzwischen ist dieser Markt in Bewegung geraten. Immer mehr Unternehmen für
Prozessfinanzierung, insbesondere auch ausländische Finanzierungsunternehmen bieten zu
unterschiedlichen Konditionen und Rechtsbereichen ihre Leistungen an. Teilweise handelt es sich
um große, börsennotierte Unternehmen, bei denen eine Anlage in Aktien auch für Anleger immer
reizvoller erscheint. Zahlreiche Prozessfinanzierungs-Gesellschaften sind Tochtergesellschaften
von Versicherungen und ähnlichen Unternehmen.
Die kommerzielle Prozessfinanzierung stößt in Deutschland bei Privatpersonen und Unternehmen
auf viel Interesse. In Deutschland sind allgemein Gerichtsverfahren sehr teuer. Die
Verfahrenskosten überschreiten oft den Streitwert erheblich. Der Verlierer eines gerichtlichen
Verfahrens sowohl die Gerichtskosten wie auch die Kosten für beide Anwälte zu tragen hat,
schrecken viele Bürger und kleinere Firmen vor einem Prozess zurück. Die Prozessfinanzierung
eröffnet einen probaten Weg, eigenes Recht ohne Angst vor hohen Gerichtskosten durchzusetzen
oder nach einem verlorenen Prozess in die Berufung zu gehen.
Bedingungen für eine Prozessfinanzierung
- Im Rechtsfall muss es um einen Mindeststreitwert gehen. Die Höhe des Mindeststreitwerts
bestimmt der Prozessfinanzierer. Der Mindeststreitwert liegt in der Regel zwischen 10.000
Euro und 50.000 Euro, kann je nach Unternehmen aber auch 100.000 Euro oder mehr
betragen. - Der Antragsteller auf Prozessfinanzierung muss dem Finanzierer alle relevanten Fakten
und Nachweise offenlegen, damit der Rechtsfall auf Erfolg geprüft werden kann. - Das Verfahren muss eine Erfolgsaussicht einer bestimmten Quote haben. Meist liegt die
Quote bei 50 % bis 70 %, damit das Unternehmen die Prozessfinanzierung übernimmt.
Die Prüfungen der Verfahren und Erfolgsaussichten werden von Anwälten des Finanzierers oder
externen Anwälten übernommen. Im Falle eines positiven Ergebnisses bei der Prüfung wird die
Prozessfinanzierung vom jeweiligen Anbieter übernommen. In dem Fall übernimmt der
Finanzierer:
- Gerichtskosten
- Anwaltskosten des Klägers
- Anwaltskosten der Gegenseite
- Kosten für Sachverständige sowie für Zeugen
Wird das Gerichtsverfahren erfolgreich geführt und der Kläger geht als Gewinner aus dem
Prozess hervor, erhält der Prozessfinanzierungen einen bestimmten Anteil vom erzielten Erlös.
Die Beteiligung wird in der Regel von Fall zu Fall, ausgehend vom Risiko, vereinbart. Im
Durchschnitt liegt sie bei 10 %, kann jedoch höher oder sogar gestaffelt angesetzt werden.
Die Vorteile der Prozessfinanzierung für Anspruchsinhaber
- Ansprüche gerichtlich durchsetzen ohne Angst vor den hohen Kosten
- Sicherheit durch die professionelle Erfolgsprüfung durch die Anwälte des Unternehmens für
Prozessfinanzierung - Einsichtnahme in die Stellungnahme der Fallprüfer, rechtskundige Unterstützung
- Kostensicherheit für die jeweilige Instanz
- Bei weiter bestehender Erfolgsaussicht Berufungsverfahren
- Risikosicherheit, falls der Prozess verloren wird – in diesem Fall übernimmt der
Prozessfinanzierung sämtliche anfallende Kosten - Für Unternehmen entfällt die in der Bilanz auszuweisende Rücklage für Gerichtsverfahren,
wenn ein Prozessfinanzierer beauftragt wird
Verschiedene Verfahren – Prozessfinanzierung
Ein sehr großer Anteil der Verfahren mit Prozessfinanzierung sind Schadenersatzklagen,
Ansprüche aus dem Vertragsrecht oder Erbrechtsfälle.
Gerade Schadenersatzansprüche werden oft aus Kostengründen nicht gerichtlich durchgesetzt,
obwohl es eine hohe Chance für die erfolgreiche Durchsetzung gibt. Die Anspruchsberechtigten
fürchten die hohen laufenden Kosten, z.B. Kosten für den Anwalt und für Sachverständige
während des Verfahrens. Sie fürchten oft, dass der Anspruch nicht in der geforderten Höhe
durchgesetzt werden kann und eine geringere Summe die angefallenen Kosten nicht deckt. Dabei
geht es bei solchen Schadenersatzansprüchen oft um einen sehr hohen Streitwert. Das trifft z.B.
für die Verfahren zu ärztlichen Behandlungsfehlern oder Unterlassungen zu. Sehr hoch können
auch Streitwerte bei Verfahren sein, die wegen finanzieller Verluste, teils bis hin zur
Existenzgefährdung oder dem Konkurs von Unternehmen durch rechtlich fragliche Verträge. Bei
Erbstreitigkeiten geht es vielfach um sehr hohe Realwerte, z.B. das Erbrecht auf ein Unternehmen
oder Anteile an einem Unternehmen, auf Grundstücke, Gebäude und dergleichen.
Prozessfinanzierung für Klein- und Kleinstansprüche
Neben den großen, vielfach international tätigen und börsennotierten Prozessfinanzierung,
entwickelt sich auch ein Markt von Prozessfinanzierungen von Klein- und Kleinstansprüchen. Bei
diesen Gesellschaften werden gewöhnlich verschiedene Ansprüche gleicher oder ähnlicher Art
eines Rechtsgebiets zusammengefasst. So gibt es z.B. Unternehmen, die speziell die
Prozessfinanzierung für Bußgeldverfahren anbieten.
Inzwischen haben sich auch Prozessfinanzierer etabliert, die insbesondere für diese Klein- und
Kleinstforderungen Softwarelösungen und Standardisierungen nutzen.
Macht die Prozessfinanzierung die Rechtsversicherung überflüssig?
Die Rechtsversicherung behält ungeachtet der Prozessfinanzierung ihre große Bedeutung.
Gerade für den Durchschnittsbürger bieten die Rechtsversicherungen eine hohe Kostensicherheit
für eine Vielzahl von Rechtsverfahren. Die von den Versicherungen abgesicherten Forderungen
sind breiter angesetzt als die Möglichkeiten für eine Prozessfinanzierung. Rechtsversicherungen
gibt es für private und geschäftliche Versicherte. Umfassen können Rechtsschutzversicherungen
z.B.:
- Familienrechtsschutz
- Arbeits-, Berufsrechtsschutz
- Straßenverkehr
- Steuerrechtsschutz
- Sozialrecht
- Grundstücksrechtsschutz
- Opfer-Rechtsschutz u.v.m.
- Bei verschiedenen Verfahren übernimmt die Rechtsschutzversicherung allerdings Kosten nur bis
zu einer bestimmten Höhe. Meist bieten Rechtsschutzversicherungen Bausteine an, bei denen die
Kunden die für sie wichtigen Rechtsbereiche für die Versicherung wählen können.
Der Abschluss einer Rechtsversicherung steht der Inanspruchnahme von einer
Prozessfinanzierung nicht im Wege. Wir ein Prozesskostenfinanzierer beauftragt und entscheiden
seine Fachleute für die Finanzierung des betreffenden Verfahrens, werden die Kostenübernahme
durch die Rechtsschutzversicherung und die Leistung der Prozesskostenfinanzierung gebündelt.
Eine Rechtsschutzversicherung ist im Grunde ebenfalls eine Form der Finanzierung für
außergerichtliche und gerichtliche rechtliche Auseinandersetzungen. Auch für die
Rechtsschutzversicherung spielt die Erfolgsaussicht eines Verfahrens eine Rolle. Ist der Fall
beispielsweise von vornherein aussichtsauslos, werden keine Kosten dafür übernommen. Auch
die Versicherungen sind Unternehmen wie die Unternehmen für Prozessfinanzierungen.
Unterschiede: - In die Rechtsschutzversicherung zahlen die Versicherten Beiträge, unabhängig von der
Anhängigkeit eines Rechtsverfahrens. Die Kosten werden aus den Beiträgen aller
Versicherten gedeckt. - Bei der Rechtsschutzversicherung gibt es keine Erfolgsbeteiligung.
- Die Rechtsschutzversicherung stellt keine Begrenzung des Mindeststreitwerts auf.
- Die Rechtsschutzversicherung tritt auch auf Rechtsgebieten ein, die bis jetzt noch für
Prozessfinanzierer nicht von Interesse sind.
Prozessfinanzierung
- Die Prozessfinanzierung wird für aktuelle Rechtsfälle beauftragt.
- Es fallen keine Beiträge oder Kostenanteile außer der Erfolgsbeteiligung an.
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