Inhalt
Was bedeutet Selbstfinanzierung?
Wie der Begriff schon erahnen lässt, finanzieren sich die Unternehmen durch Zuführung von Eigenkapital selbst, ohne auf fremdes Kapital angewiesen zu sein. Die Selbstfinanzierung fällt somit in die Kategorie der Eigenfinanzierung. Des Weiteren zählt die Selbstfinanzierung zur Innenfinanzierung, auch Gewinnthesaurierung genannt, da die Mittel aus dem eigenen Unternehmen stammen.
Wird hingegen Kapital von externen Gebern zugeführt, wie bei der Beteiligungsfinanzierung, so wird von der Außenfinanzierung gesprochen. Sowohl die Selbstfinanzierung, als auch die Beteiligungsfinanzierung gehören zur Eigenfinanzierung, doch die Herkunft der Mittel unterscheidet die beiden Finanzierungsarten in Innen- und Außenfinanzierung.
Die Selbstfinanzierung ergibt sich aus den durch Umsatzerlöse erwirtschafteten Gewinnen, die einbehalten werden, anstatt an die Anteilseigner ausgeschüttet zu werden. Sämtliche Gewinnrücklagen führen zur Erhöhung des Eigenkapitals, welches wiederum für spätere Investitionen dient, wie etwa der Anschaffung neuer Maschinen oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten (Schulden) gegenüber Dritten, wie beispielsweise offene Rechnungen aus Lieferungen und Leistungen.
Wie die Selbstfinanzierung in der Praxis und betriebswirtschaftlich gesehen abläuft, hängt entscheidend von der jeweiligen Rechtsform eines Unternehmens ab. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften verläuft sie anders als bei Kapitalgesellschaften. Des Weiteren ist die Selbstfinanzierung in zwei Arten zu unterscheiden: Der offenen Selbstfinanzierung und der verdeckten beziehungsweise stillen Selbstfinanzierung.
Offene Selbstfinanzierung
Die offene Selbstfinanzierung erfolgt durch die aktive Bildung von Gewinnrücklagen und der daraus resultierenden Erhöhung des Eigenkapitals. Damit ein Unternehmen die Methode der offenen Selbstfinanzierung betreiben kann, muss das Unternehmen Gewinne, die zurückbehalten werden sollen, in die Verkaufspreise ihrer Produkte einkalkulieren und Umsatzerlöse durch den erfolgreichen Verkauf dieser Produkte erzielen.
Nach Zahlung der Steuern, den Abschreibungen und den Ausschüttungen wird der Überschuss des Gewinns zurückbehalten. Laut des Bilanzgliederungsschemas, §266, Absatz 3 im HGB (Handelsgesetzbuch), müssen gesetzliche Rücklagen, satzungsmäßige Rücklagen sowie Rücklagen für eigene Anteile und andere Gewinnrücklagen unterschieden werden.
Verdeckte Selbstfinanzierung
Die verdeckte Selbstfinanzierung erfolgt entweder durch stille Reserven oder stille Rücklagen, beides Vermögenswerte, die in der Bilanz eines Unternehmens nicht offen ausgewiesen werden.
Bei stillen Reserven wird die Aktiva eines Unternehmens unterbewertet. Aktiva bezeichnet alle dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Vermögensgegenstände, mit denen aktiv gearbeitet werden kann. Hier wird zum Beispiel eine Maschine aus dem Anlagevermögen höher abgeschrieben als notwendig. Stille Reserven werden erst zum Zeitpunkt ihrer Auflösung besteuert, also wenn sie beispielsweise durch einen Verkauf das Unternehmen verlassen.
Bei stillen Rücklagen hingegen wird die Passiva eines Unternehmens überbewertet. Passiva bezeichnet, ob das Vermögen im Unternehmen durch Eigenkapital oder Fremdkapital (Kredite) finanziert wurde. Unter der Ausnutzung von Bewertungs- sowie Bilanzierungswahlrechten werden die Schulden überbewertet. Folglich reduziert diese Maßnahme den Gewinnbetrag und das Unternehmen zahlt weniger gewinnabhängige Steuern. Wird allerdings bisher überbewertete Passiva nun korrekt bewertet, so entstehen aus den stillen Rücklagen stille Reserven.
Ablauf der Selbstfinanzierung
Es bestehen Unterschiede zwischen dem Ablauf der Selbstfinanzierung in Bezug auf die Rechtsformen der Unternehmen.
Einzelunternehmen & Personengesellschaften
Bei diesen Formen von Unternehmen müssen die Gewinnrücklagen in der Bilanz nicht unter einem gesonderten Posten ausgewiesen werden, das sie auf dem Eigenkapitalkonto angesammelt werden und dieses erhöhen. Indirekt beeinflusst diese Art des Ablaufs einen gewissen Verschuldungsspielraum. Dem Unternehmen steht mehr Eigenkapital zur Verfügung, welches in neue Anschaffungen investiert werden kann und die Bonität gegenüber Kreditinstituten erhöht. In den meisten Fällen bietet die Selbstfinanzierung Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften die einzige Möglichkeit, um sich mehr Eigenkapital zu verschaffen.
Kapitalgesellschaften
Bei Kapitalgesellschaften hingegen müssen einbehaltene Gewinne gesondert unter dem Posten „Gewinnrücklagen“ in der Bilanz ausgewiesen werden. Ob überhaupt Gewinnrücklagen ausgeschüttet oder einbehalten werden und in welcher Höhe entscheiden die Gesellschafter. Gemäß §58 AktG (Aktiengesellschaft) können bei AGs der Aufsichtsrat sowie der Vorstand unter bestimmten Bedingungen bis zu 50% des Jahresüberschusses als Gewinnrücklagen einbehalten, ohne die Zustimmung der Aktionäre einholen zu müssen.
Eine Entscheidung über die Verwendung der anderen Hälfte fällt hingegen die Hauptversammlung. Das durch die Selbstfinanzierung gewonnene Kapital führt bei unverändertem Nominalkapital, dem Grundkapital einer Aktiengesellschaft, zu steigenden Kurswerten der Aktien. Aufgrund der erhöhten Kurse wird die Austauschbarkeit beziehungsweise Vertretbarkeit der Aktien eingeschränkt. Gleichzeitig sinkt auch die Dividendenrente der Aktien.
Während durch die Einstellung einer Gewinnrücklage die Ausschüttung pro Aktie sinkt, steigt zugleich der Kurswert. Den steigenden Kurswerten kann mit einer Erhöhung des Nominalkapitals durch Gesellschaftsmittel entgegengewirkt werden. Die Haftungsbasis des Unternehmens erweitert sich dadurch. Ebenso erhöht sich der Verschuldungsspielraum. Die Mehrheits- und daher Herrschaftsverhältnisse in der Kapitalgesellschaft bleiben bei der Selbstfinanzierung bestehen.
Vorteile der Selbstfinanzierung
Vorteil der verdeckten Selbstfinanzierung ist, dass die Beträge nicht als Gewinn in der Bilanz erscheinen, weshalb für das Unternehmen für diese Beträge bis zu ihrer Auflösung keine Steuern anfallen. Der steuerpflichtige Teil des Gewinns wird daher vermindert und es entsteht eine Stundung der Steuern für den in der Bilanz nicht mehr ersichtlichen Gewinn. Des Weiteren fallen bei der Selbstfinanzierung keinerlei Zinsen an, wie es bei der Fremdfinanzierung der Fall wäre.
Folglich beeinflusst dieser Vorteil die Rentabilität, die Investitionsentscheidungen sowie die Entscheidung der Finanzierungsform des Unternehmens. Der erhöhte Verschuldungsspielraum ermöglicht Unternehmen mehr Kredite aufnehmen zu können. Auch für Kapitalgesellschaften ist die Selbstfinanzierung im Vergleich zu der Finanzierung durch neues Beteiligungskapital wesentlich günstiger.
Nachteile der Selbstfinanzierung
Nachteil der offenen Selbstfinanzierung ist, dass die Rücklagen aus dem Gewinn des Unternehmens gebildet werden müssen und somit weiterhin Steuern anfallen. Bei der Auflösung von stillen Reserven fallen für das Unternehmen Steuern an. Die Liquidität des Unternehmens, also der Bestand an flüssigen Finanzierungsmitteln, wie Bargeld oder Bankguthaben, wird aufgrund der nachträglichen beziehungsweise späteren Besteuerung belastet.
Bei Kapitalgesellschaften birgt die Höhe der Selbstfinanzierung und die dadurch fehlende Ausschüttung an die Anteilseigner nicht selten ein Konfliktpotenzial zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat auf der einen Seite und den Eigentümern auf der anderen Seite. Für Kapitalgesellschafften verringert sich außerdem die Handelsbarkeit der Aktien wegen der erhöhten Kurswerte. Dazu sinkt mit der Dividendenrente eine wichtige Kennzahl zur Beurteilung von Wertpapieren für neue Investoren.
Ob die Selbstfinanzierung des Unternehmens im Endeffekt zur Steuerersparnis führt oder zur Steuermehrbelastung , ist von der Verteilung der Gewinne abhängig sowie von der progressiven Einkommenssteuer und der Entwicklung der Steuertarife. Der Steuergesetzgeber hat einen Katalog von Sonderabschreibungsmöglichkeiten der Innenfinanzierung verfasst. Diese ermöglichen den Unternehmen die Bildung von stillen Rücklagen, die üblicherweise nicht zulässig sind und in einigen Fällen sogar die Bildung offener Gewinnrücklagen aus unversteuertem Gewinn, um diese von der Steuer zu befreien.
« Zurück zum Wiki Index