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Was ist eine Vorauszahlungsbürgschaft?
Bei einer Vorauszahlungsbürgschaft handelt es sich um eine Bürgschaft, die auf eine im Voraus gezahlte Summe geleistet wird. Sie dient damit vor allem der Absicherung von Auftraggebern vor der möglichen Insolvenz eines Auftragnehmers. Die Vorauszahlungsbürgschaft kommt vor allem (aber nicht nur) in der Baubranche zum Einsatz. Darüber hinaus ist sie bei komplexeren Industrieprozessen üblich, die über längere Zeit einen höheren Einsatz finanzieller Mittel erfordern.
Beispiel für eine Vorauszahlungsbürgschaft
Bei einem Bauprojekt sind in der Regel hohe Vorleistungskosten für Material und Geräte zu zahlen. Baufirmen sind mitunter nicht dazu in der Lage, solche Kosten im Vorhinein auszulegen. Daher verlangen sie von ihren Auftraggebern meist eine Vorauszahlung, um die Kosten für den Bau stemmen zu können. Der Bauherr geht damit ein gewisses Risiko ein, da er nicht sicherstellen kann, dass das Bauunternehmen die Vorauszahlung effektiv nutzt und den Bau auch tatsächlich fertigstellt. Geht das Unternehmen zum Beispiel während der Bauphase in die Insolvenz, kann es passieren, dass die Vorauszahlung innerhalb der Insolvenzmasse aufgelöst wird. Der Auftraggeber stünde in diesem Fall als normaler Gläubiger da, der unter Umständen nur einen geringen Teil seiner Zahlung zurückerhielte.
Aus diesem Grund verlangen Auftraggeber von ihren Auftragnehmern häufig die sogenannte Vorauszahlungsbürgschaft. Mit dieser verpflichtet sich der Auftragnehmer die gesamte Vorauszahlung (oder u.U. auch nur einen Teil) solange vorzuhalten, bis der Bau fertiggestellt ist. In der Praxis bürgt in der Regel ein anderer Bürge (zum Beispiel die Hausbank des Auftragnehmers) für die Summe, da der Sinn der Vorauszahlung im Normalfall ja gerade der ist, diese als flüssige Mittel zur Investition in den Bau zur Verfügung zu haben.
Die Kautionsversicherung
Banken vermarkten diesen Service der Vorauszahlungsbürgschaft in der Regel als sogenannte Kautionsversicherung. Typischerweise schließen Unternehmen, die regelmäßig Bürgschaften für Vorauszahlungen bedürfen, dauerhaft eine solche Kautionsversicherung bei ihrer Bank ab. Die Kautionsversicherung deckt dann über einen Rahmenvertrag alle Vorauszahlungsbürgschaften des Unternehmens bis zu einer festgelegten Gesamthöhe ab. Ähnlich wie bei einem geschäftlichen Dispositionskredit lassen sich Banken häufig bereits die potenzielle Bereitstellung des Geldes mit einem großzügig bemessenen Zinssatz finanzieren.
Eine Bank oder einen anderen Bürgen in den Leistungsvertrag mit einzubeziehen hat auch für den Auftraggeber Vorteile. Im Falle der völligen Zahlungsunfähigkeit des Auftragnehmers hat der Auftraggeber so immer noch die Möglichkeit, seine Vorauszahlung zurückzuerhalten. Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft des Auftragnehmers selbst, ist das zwar eigentlich auch vorgesehen, doch ist eine Veruntreuung des angezahlten Betrags, gerade in Fällen der Betriebsinsolvenz, oftmals nicht auszuschließen.
Form der Bürgschaft
Typischer Weise wird die Vorauszahlungsbürgschaft als sogenannte selbstschuldnerische Bürgschaft abgeschlossen. Das bedeutet, dass der Bürge von Anfang an vollumfänglich für Zahlungsausfälle haftbar gemacht werden kann. Gerade bei größeren Projekten kann es aber durchaus auch ein gangbarer Weg sein, eine Standard-Bürgschaft als Vorauszahlungsbürgschaft zu nutzen. In diesen Fällen muss bei Zahlungsausfällen zuerst das vollständige Insolvenzverfahren gegen den Hauptschuldner durchlaufen werden. Gerade wenn Privatpersonen bei einem Bauprojekt in Vorleistung gehen müssen, kann das aber zu empfindlichen Störungen im Bau- und Zahlungsablauf führen. Gerade, wenn eine Kautionsversicherung über eine Bank oder einen Versicherungsdienstleister abgeschlossen werden soll, ist also darauf zu achten, dass eine selbstschuldnerische Bürgschaft zum Einsatz kommt.
Dauer der Gültigkeit einer Vorauszahlungsbürgschaft
Soweit nicht explizit anders vereinbart, ist eine Vorauszahlungsbürgschaft unbegrenzt gültig. Sie erlischt also erst mit der Rückgabe der Vertragsurkunde. Da Vorauszahlungen aber typischer Weise explizit auf den Abschlussrechnungen des Auftragnehmers an den Auftraggeber verrechnet werden, erlischt der Anspruch aus der Bürgschaft de facto mit der Leistungserbringung (also zum Beispiel der Übergabe eines fertiggestellten Hauses). Da zu diesem Zeitpunkt aber noch Mängel am fertigen Produkt festgestellt werden könnten und damit die vertragsgemäße Übergabe später noch angezweifelt werden könnte, empfiehlt es sich, auf die Rückgabe der Urkunde zu bestehen. Als Auftraggeber kann es dagegen sinnvoll sein, zu diesem Zeitpunkt eine neue Bürgschaft einzufordern, die die Absicherung etwaiger Mängel auch zu einem späteren Zeitpunkt noch mit der gebotenen Sicherheit ermöglicht. Die Bürgschaft zeitlich zu begrenzen kann darüber hinaus eine gute Methode sein, sicherzustellen, dass auch bei Unstimmigkeiten ab einem bestimmten Zeitpunkt keine weiteren Probleme mehr auftreten können. Das ist naturgemäß vor allem für die sich verbürgende Partei relevant.
Die einseitige Kündigung der Vorauszahlungsbürgschaft durch den Bürgen ist, wie bei allen Bürgschaften, soweit nicht anders geregelt, nicht gestattet. In dem Fall, dass (wie im Fall der Kautionsversicherung) ein Dritter als Bürge für die Vorauszahlung eintritt, kann es aber geschehen, dass bei deutlicher Verschlechterung der finanziellen Lage des Auftragnehmers der Bürge diesen dazu verpflichtet, eine andere Sicherheit zu leisten. Im Extremfall kann der Bürger so eine Insolvenz des Auftragnehmers forcieren. Für den Auftraggeber bedeutet das zwar kein erhöhtes Risiko, was die Sicherheit der Vorauszahlung betrifft, gegebenenfalls kann so aber die eigentlich gewünschte Leistungserbringung verzögert werden.
Paragraf 16 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B
Im Paragraf 16 des VOB sind alle Regelungen enthalten, die sich auf das Thema Vorauszahlungsbürgschaft beziehen. Dabei beschäftigt sich der Paragraf mit den Zahlungen für Bauleistungen. Genauer zu betrachten ist der Absatz 2
§ 16 Zahlungen
…
2.
. 1 Vorauszahlungen können auch nach Vertragsabschluss vereinbart werden; hierfür ist auf Verlangen des Auftraggebers ausreichende Sicherheit zu leisten.
2 Diese Vorauszahlungen sind, sofern nichts anderes vereinbart wird, mit 3 v. H. über dem Basiszinssatz des § 247 BGB zu verzinsen.
3 Vorauszahlungen sind auf die nächstfälligen Zahlungen anzurechnen, soweit damit Leistungen abzugelten sind, für welche die Vorauszahlungen gewährt worden sind.
…
Als Sicherheit ist eine selbstschuldnerische Bürgschaft vom Auftraggeber zu erbringen. Bei öffentlichen Bauaufträgen kommen eher die Kombi-Bürgschaften zum Einsatz. Das gilt für den Hochbau und im Straßen- und Brückenbau. In diesen Formblättern ist festgelegt, dass Vorauszahlungen ohne Vertragsänderung nicht vereinbart werden dürfen. Dabei ist eine solche Vorauszahlungsbürgschaft unbefristet und erlischt sofort, wenn die Rückgabe erfolgt ist. Die Vorauszahlungsbürgschaft wird in der Regel mit Abschlagsrechnungen verrechnet und somit sind die Leistungen abgegolten.
Vorauszahlungsbürgschaft – Beispiel
Die Vorauszahlungsbürgschaft lässt sich perfekt an einem Beispiel erklären. Betrieb 1 ist mit dem Bereich der Stahlrohre beschäftigt und stellt diese her. Für die Herstellung ist eine besondere Ziehanlage notwendig, die das Ziehen der Rohre ermöglicht. Die Herstellung dieser Ziehanlage wird bei einem anderen Unternehmen in Auftrag gegeben. Hierbei handelt es sich um eine Spezialanfertigung und somit sind die Herstellungskosten für die Ziehanlage sehr hoch. Dadurch verlangt das Unternehmen für die Herstellung der Anlage eine Vorauszahlung von Betrieb 1. Was passiert aber, wenn das Unternehmen für die Ziehanlage, die Anlage nicht herstellen kann oder in die Insolvenz rutscht? Dann könnte es zu einem immens hohen finanziellen Verlust für Betrieb 1 kommen. Um sich abzusichern verlangt Betrieb 1 eine Vorauszahlungsbürgschaft. Sollte aus welchen Gründen auch immer, der Herstellungsbetrieb für die Ziehanlage den Auftrag nicht erfüllen können, dann bekommt Betrieb 1 seine Vorauszahlung in voller Höhe zurück und erleidet keinen finanziellen Verlust.
Auftraggeber, Auftragnehmer und der Bürge
Anhand des obigen Beispiels lässt sich gut nachvollziehen, dass die Absicherung immer die Aufgabe des Auftragnehmers ist. Damit das Unternehmen die Vorauszahlung nicht selber absichern muss, kann ein Bürge ins Boot geholt werden, der die finanzielle Bürgschaft übernimmt. Normalerweise müsste der Auftragnehmer als das Unternehmen für die Herstellung der Anlage die Vorauszahlung zur Seite legen und als Sicherheit behalten. Allerdings ist das heute sehr selten der Fall und somit bemüht er sich lieber um einen Dritten, den sogenannten Bürgen für die Vorauszahlungsbürgschaft. Der Bürge übernimmt immer die finanzielle Last, wenn der Auftrag nicht wunschgemäß erfüllt wird.
Es gibt im Grunde zwei Bürgen, die in Frage kommen, ein Versicherungsunternehmen oder eine Bank. Allerdings hat sich in den letzten Jahren eindeutig gezeigt, dass Versicherungsunternehmen eine bessere Lösung sind. Mit Hilfe der Vorauszahlungsbürgschaft lässt sich die Liquidität steigern und die Kreditlinie der Hausbank wird entlastet. Damit eine Vorauszahlungsbürgschaft in die Tat umgesetzt werden kann, muss eine gute Bonität als Grundvoraussetzung vorhanden sein.
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