Aktuell sollte das Finanz-Startup Greensill veräußert werden. Dieser Deal ist jedoch geplatzt, sodass das Bankhaus kurz vor der Insolvenz steht. Auch dieser Fall wird wie Wirecard in die Geschichte eingehen. Lex Greensill hat sich dieses Ende wohl nicht vorgestellt. Schon zwei Wochen nach der Zahlungsunfähigkeit in Australien folgt der Insolvenzantrag der deutschen Tochter, der Bremer Greensill Bank. Eigentlich sollte Greensill an den amerikanischen US-Finanzinvestor Apollo veräußert werden. Nachdem die Gespräche abgebrochen wurden, steht Greensill vor dem Aus. Der einst britisch-australische Lieferkettenfinanzierer hat nun für große Aufregung auf dem Finanzmarkt gesorgt.
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Gläubiger und deutsche Kommunen stehen vor Millionenverlusten
Zahlreiche namenhafte Unternehmen, wie zum Beispiel die Softbank und Credit Suisse sind von der Insolvenz betroffen. Aktuell ist das ganze Ausmaß noch nicht abschätzbar. So wird vermutet, dass der Rechtsstreit zwischen den Gläubigern, Investoren, Versicherern und auch Kommunen noch einige Jahre andauern wird. Jedoch ist jetzt schon klar, dass es hier um Millionenverluste gehen wird.
Nicht auszuschließen ist, dass etliche Greensill-Kunden ebenfalls in die Insolvenz rutschen werden, falls diese keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten mehr finden. So sind die Regierungen in Großbritannien, Australien und Frankreich besorgt, dass beispielsweise tausende von Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie verloren gehen könnten. Einer der größten Kunden von Greensill ist Sanjeev Gupta. Momentan verhandelt der Unternehmer, dessen GFG Alliance der Bank etwa 5 Milliarden Dollar schuldet, über ein Stillhalteabkommen, bis neue Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden. Eine Insolvenz würde beispielsweise auch den britischen Steuerzahler hart treffen. Immerhin hat der Staat für zahlreiche Gupta-Firmen Kreditgarantien über eine Milliarde Pfund abgegeben.
Jeden Tag kommen neuen Details ans Licht
Ein weiterer Skandal trifft das deutsche Greensill-Unternehmen in Bremen. Das Stammhaus Greensill Capital hat sich im Juli 2020 einen Kredit über 110 Millionen Euro von dort gesichert. Damit hat die Bank möglicherweise gegen Aufsichtsregeln verstoßen.
Aufgrund des Absturzes von Greensill wird deutlich, wie die Banken in der Finanzwelt miteinander vernetzt sind. Experten und Kritiker fragen sich, wie es so kurz nach dem Skandal um Wirecard erneut zu einem solchen Kollaps kommen konnte. So ist es nicht verwunderlich, dass hierzulande und auch in Großbritannien der Druck auf die Aufsichtsbehörden wächst. Diese hätten eher reagieren müssen.
Greensill als erfolgversprechender Aufsteiger
Im Jahr 2011 hat der australische Investmentbanker Lex Greensill sich mit seiner Bank in London selbständig gemacht. Zuvor hatte er in der Lieferkettenfinanzierung bei Morgan Stanley und Citi gearbeitet. Mit seinem Start-up wollte er das Geschäft attraktiver machen. Greensill Capital streckt den Firmen Gelder vor und bezahlt sogar deren Rechnungen bei den Lieferanten. Wegen der schnellen Zahlungsweise wird ein kleiner Discount von 1 % gewährt. Den vollen Rechnungsbetrag fordert später Greensill von den Kunden zurück und profitiert somit vom Gewinn. Die Kunden von Greensill sind von der Flexibilität begeistert. Greensill steckt jedoch die kurzfristigen Forderungen in Wertpapiere. Diese werden wiederum Anlegern zum Kauf angeboten. Auf diese Weise generiert die Bank Liquidität für das laufende Geschäft.
Als solide Basis dienen deutsche Spareinlagen
Lex Greensill berät seinerzeit den britischen Premierminister David Cameron. Damit sollen die Lieferbeziehungen der Behörden effizienter ablaufen. Ebenfalls freundet er sich mit dem Unternehmer Gupta an, der weltweit marode Stahlwerke aufkauft und diesbezüglich eine Finanzierung sucht. Da Greensill verlässliche Geldquellen benötigt, um Kapital zu verleihen, steigt das Unternehmen im Jahr 2013 bei der NordFinanz Bank in Bremen ein und übernimmt diese. Aus NordFinanz wird die Bremer Greensill Bank. Da auch die NordFinanz in einer Krise steckt, hoffen hierzulande viele, dass es nun unter dem Namen Greensill bergauf geht.
Für Greensill ist die Übernahme ein Glücksfall, da sie nunmehr auf die Einlagen vieler deutscher Sparer zurückgreifen kann. Neukunden werden mit relativ hohen Zinssätzen angelockt. Unter den Kunden sind auch viele deutsche Kommunen, die davon profitieren möchten. Interessant ist, dass sich von 2017 bis 2019 die Bilanzsumme von Greensill auf 3,8 Millarden Euro verzehnfacht hat.
In der Schweiz schließt sich Greensill mit der Credit Suisse zusammen und legt mehrere Lieferketten-Fonds auf. Credit Suisse kauft somit die von Greensill verpackten Forderungen. Dabei werden diese Transaktionen als Produkt mit geringem Risiko bewertet. Diese sind durch Ausfallversicherungen geschützt. Zu den Kunden gehören auch Profianleger und reiche Privatkunden, die Millardensummen investieren. Somit wird Greensill eines der erfolgreichsten Start-Ups in Großbritannien. 2018 steigt die japanische Softbank mit 1,5 Milliarden bei Greensill ein.
Erste Zweifel im April 2019
Der Prüfungsverband deutscher Banken ist skeptisch. Greensill wirbt damit, viele Millionen Kleinkunden zu betreuen. In Wirklichkeit handelt es sich nur um einige Großkunden, wie zum Beispiel Gupta. Auch in der Schweiz kommen erste Zweifel auf. Hier ist von Missmanagement die Rede. So geraten Greensill, Credit Suisse und auch die Softbank immer häufiger in die Schlagzeilen. So wurden über diese Dreiecksbeziehung auch 1,5 Milliarden Dollar transferiert, um angeblich Firmen in der Coronakrise Liquidität zu verschaffen.
Das Ende von Greensill
Im Sommer 2020 teilt der japanische Versicherer Tokio Marine mit, dass er alle Versicherungspolien zum 1. März 2021 auslaufen lassen wird. Ohne Versicherungsschutz werden dann auch die Finanzierungsquellen von Greensill versiegen. Greensill versucht vergeblich, neue Versicherer zu finden. Die deutsche Bankenaufsicht Bafin führt eine Sonderprüfung bei der Bremer Greensill durch. Es wird der Verdacht gehegt, dass Greensill viele Forderungen aufgekauft hat, die in Wirklichkeit nicht existieren. Der Bank wird der weitere Handel mit Forderungen untersagt.
Die Bemühungen von Lex Greensill um neue Finanzierungsquellen bleibt ergebnislos. Er bekommt nur noch Absagen. Zum 1. März 2021 ist der Versicherungsschutz ausgelaufen und Credit Suisse friert die Lieferketten-Fonds ein. Die Bafin stoppt zudem alle Ein- und Auszahlungen. Greensill muss Insolvenz anmelden.
Mittlerweile hat Greensill mit der Rückzahlung seines Kapitals an die Anleger begonnen. Noch ist nicht sicher, wie hoch die Verluste dabei ausfallen werden. Viele deutsche Kommunen und sogar Bundesländer müssen Verluste von etwa 500 Millionen Euro verkraften. Einige Privatinvestoren haben mehr Glück, da sie das Geld vom Einlagensicherungsfonds zurückerhalten. Ärgerlich wird es für die Deutsche Bank und die Commerzbank, die den Einlagensicherungsfonds anschließend mit eigenem Geld wieder auffüllen müssen.