Während der Ukraine-Krise ist Westeuropa damit beschäftigt, Möglichkeiten zu suchen, um vom russischen Erdgas unabhängig zu werden. Ausgehend der aktuellen Lage dreht entweder der Kreml den Gashahn zu oder der politische Druck sorgt für noch schärfere Sanktionen und damit ein Erdgas-Embargo. Gerade für viele deutsche Unternehmen wäre dies ein Schock. Schon jetzt müssen sich die Verbraucher auf gestiegene Heizkosten einstellen. Bei Unternehmen käme es vielleicht zu einem Milliarden-Schock. Viele stellen sich daher zurecht die Frage, ob Deutschland kurzfristig aus den Öl- und Gaslieferungen aus Russland verzichten kann.
Inhalt
Forderungen werden immer lauter
Die Forderungen nach einem Erdgas-Embargo werden immer lauter. Anstatt darauf zu warten, bis Russland von selbst den Gashahn zudreht, sind viele der Auffassung, dass Deutschland selbst den Hahn schließt und somit quasi auch den Geldhahn für Russland zudreht. Andrij Melnyk als ukrainischer Botschafter teilt hierzu mit, dass die bisherigen Sanktionen gegen Russland nicht ausreichen würden und fordert ein Erdgas-Embargo. Bisher wurden zu viele Schlupflöcher gelassen und jetzt sei es an der Zeit, diese zu schließen. Grund für ein solches Embargo ist, dass sämtliche Finanzströme zur Finanzierung des Krieges von Putin damit trockengelegt werden sollen.
Leider ist die derzeitige Abhängigkeit noch sehr groß. Dies könnte von heute auf morgen ein besonderer Kraftakt darstellen. Deutschland bezieht rund 50 % des Erdgases aus Russland. Beim Erdöl sind es rund 36 %. Darüber hinaus bezieht Deutschland nach wie vor Steinkohle aus Russland. Der Umstieg auf nachhaltige und erneuerbare Energien reicht momentan noch nicht aus.
Ein Lieferstopp wäre möglich
Der Ausstieg aus den Gaslieferungen ist aktuell sehr problematisch. Flexibler wäre man beim Ausstieg aus den Öl- und Kohlelieferungen. Hier gibt es zahlreiche Alternativen. Die möglichen Sanktionen müssen daher sorgfältig abgewogen werden.
Ein großes Problem des Erdgases ist, dass dieses sowohl die privaten Haushalte als auch die Industrie dringend benötigt. Gas gehört zu den wichtigsten Energieträgern in der Industrie. Ebenso heizt auch jeder zweite Deutsche mit Gas. Eine kurzfristige Veränderung der Energiepolitik ist kaum zu bewältigen.
Experten sind sich einig, das ohne russisches Gas die Branchen der Automobil-, Chemie- und Stahlindustrie zum Erliegen kämen. Dies wäre ein volkswirtschaftlicher Schock mit weitreichenden Folgen. Unternehmer haben den letzten Corona-Schock noch nicht überwunden. Viele Unternehmen mussten Konkurs anmelden oder sind gerade wieder im Aufbau. Die aktuellen Lieferengpässe kommen noch hinzu. Falls dennoch Russland als Gaslieferant ausfällt, würden die Preise noch höher steigen.
Steigende Energiepreise sind zu erwarten
Experten rechnen damit, dass generell mit stark steigenden Energiepreisen zu rechnen sei. Der Krieg in der Ukraine treibt die Preise enorm nach oben. Preispolitisch ist dies ein Desaster. Letztlich müssen die Bürger und auch Unternehmer den Preis für eine vernachlässigte und verschleppte Energiewende bezahlen.
Seit Wochen suchen die EU-Mitgliedsstaaten nach Lösungen, um die Gas-Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Eine Alternative stellt das Flüssiggas aus aller Welt dar. Momentan stellt die Bundesregierung hierfür 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung, damit Flüssiggas bzw. Liquefied Natural Gas, kurz LNG, besser lagern zu können. Die bestehenden LNG-Terminals reichen bei weitem noch nicht aus.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch bei kompletter Auslastung der bestehenden Terminals die EU nur zu 40 % ihren Gasbedarf an LNG decken kann. Hierzulande sollen in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven neue LNG-Terminals entstehen. Jedoch wird es noch einige Jahre dauern, bis diese realisiert werden können. Um die Verbraucher zu beruhigen, denkt die Politik darüber nach, dass die Industrie ihren Gasverbrauch drosseln soll. Unabhängig davon wird es für alle Seiten aber zukünftig teurer.