Das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist klar: Mit niedrigen Zinsen soll offiziell die Gefahr der Deflation in der Eurozone bekämpft werden. Wer genau hinschaut, wird jedoch erkennen, dass dies nur ein Vorwand sein kann; schließlich sind die sehr niedrigen Preissteigerungsraten der jüngeren Vergangenheit vor allem durch den niedrigen Ölpreis induziert. Dieser wirkt jedoch eher konjunkturfördernd, so dass sich eigentlich keine Handlungsnotwendigkeit für die Zentralbank ergibt. Doch spielen hier weitere Überlegungen mit hinein: Je schwächer der Euro, desto billiger können die europäischen Unternehmen herstellen bzw. ins Ausland exportieren. Ein weiterer Aspekt ist, dass der größte Profiteur niedriger Zinsen immer der größte Schuldner ist: Der Staat kann sich bei niedrigen Zinsen viel billiger verschulden, wovon insbesondere die Pleitestaaten im südeuropäischen Raum, allen voran natürlich Griechenland, profitieren.
Für die Sparer indes ist das Niedrigzinsniveau eine Katastrophe, gerade für diejenigen, die langfristig Geld für die Altersvorsorge zur Seite legen wollen. Ein um einen Prozentpunkt niedrigerer Zinssatz macht 15% höhere Sparraten notwendig, um auf die selbe Altersrente zu kommen, schreibt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Ein 35-jähriger Durchschnittsverdiener mit einer mittleren Lebenserwartung von 79 Jahren musste 2007 noch 168 Euro sparen, um später den gewohnten Lebensstandard aufrecht erhalten zu können. Heute sind es 360 Euro, also ein Anstieg von über 13% jedes Jahr. Doch fließt diese Entwicklung nicht in die Inflationsrate mit hinein – und das, obwohl nahezu jeder diese Ausgaben jeden Monat bestreitet. Dadurch wird die offizielle Inflationsrate deutlich nach unten verzerrt.
Diese Entwicklung ist langfristig durchaus riskant. Wer heute nicht spart, der hat morgen kein Geld, um zu konsumieren. Dies bedeutet dann in der Zukunft geringere Konsumausgaben, von den individuellen Tragödien mal ganz zu schweigen. Selbst wer es möchte, nur die wenigsten können es sich leisten, ihre Vorsorgeaufwendungen so massiv hochzufahren. Darüber hinaus haben auch nicht viele Menschen die hierfür notwendige Disziplin. Wenn allenthalben billige Kredite locken, dann trägt die Nullzinspolitik eher dazu bei, kurzfristige Verschuldung zu Konsumzwecken zu befeuern. Diese Problematik zeigt sich schon jetzt in den Daten. Der GfK Index zur Sparneigung der Deutschen ist im Januar 2015 auf ein Allzeittief gefallen. Es ist dabei durchaus verständlich, wenn die Menschen nicht mehr sparen – warum sollte man auch, wenn real, also unter Berücksichtigung der Inflationsrate, am Ende weniger bei herauskommt, als man jetzt hat. Lebensversicherungen beispielsweise weisen heute nach der jüngsten Senkung Anfang des Jahres nur noch eine Garantieverzinsung von 1,25% auf. Wenn man dies mit dem Wert von 4% noch vor wenigen Jahren vergleicht, dann wundert es nicht, dass die Rücklagen weniger schnell steigen.
Vielleicht tät der Wirtschaft und Politik die Rückbesinnung auf eine fundamentale Aussage der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ganz gut: Konsum ist niemals die Quelle des Wohlstandes, sondern nur der Ausdruck.