Das Jahr hat für die Regierung einen turbulenten Start hingelegt, und nun sieht sich auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) unerwartetem Gegenwind ausgesetzt – und zwar von den Banken. Diese haben eine Warnung ausgesprochen und das Finanzministerium Lindners eindringlich vor Restriktionen bei der Vergabe von Immobilienkrediten gewarnt. Man könnte annehmen, dass Christian Lindner die Bedeutung des Zugangs zu Krediten und Hypotheken für private Bauherren gut nachvollziehen kann. Immerhin hatte der FDP-Politiker selbst einen Millionen-Kredit für den Kauf seines privaten Hauses benötigt und diesen ausgerechnet von einer Bank erhalten, bei der er später per Video-Ansprache ein Grußwort hielt. Obwohl die Staatsanwaltschaft den Vorfall überprüfte und ad acta legte, scheint Lindner allgemein großen Wert auf ein gutes Verhältnis zu den Banken zu legen – eine selbstverständliche Zusammenarbeit für jeden Finanzminister, könnte man meinen. Dass die Kreditwirtschaft nun gegen ihn frontläuft, dürfte Lindner sicherlich verärgern.
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Worum geht es hier?
Offensichtlich plant das Finanzministerium angesichts der aktuellen Turbulenzen auf dem deutschen Immobilienmarkt, bei der Finanzaufsicht Anpassungen vorzunehmen und vorbeugend die Kontrollmechanismen zu verschärfen. Es geht dabei um ein Gesetz zu einkommensabhängigen Grenzen für Kredite zum Erwerb von Wohnimmobilien – ein grundlegendes Geschäftsfeld für Banken. Die Bankiers sind besorgt, dass weitere politische Eingriffe ihr Kundengeschäft endgültig zum Stillstand bringen könnten.
In der Streikwoche ist Brief bekanntgeworden
In einem nicht öffentlichen Schreiben vom Dezember, das nun während der vergangenen Streikwoche bekannt wurde, äußert die Deutsche Kreditwirtschaft, der bedeutende Dachverband der deutschen Banken, ihre Bedenken: „Wir halten dies in einer Zeit, in der 700.000 Wohnungen fehlen, der Wohnungsneubau fast zum Erliegen gekommen ist und die seit Jahresbeginn gegebenen Wohnimmobilien-Darlehenszusagen um 40 Prozent unter Vorjahresniveau liegen, für ein falsches politisches Signal.“
Die Banker monieren, dass das im Hause Lindner vorbereitete Gesetz „ohne Not massiv in die Geschäftstätigkeit und Managementkompetenz von Banken und Sparkassen eingreifen würde.“
Kein richtiges Fingerspitzengefühl
In der Tat hatten die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP das Thema bereits im Koalitionsvertrag diskutiert und vereinbart. Im November 2023 mahnten die Fraktionen die Bundesregierung an, zeitnah einen Gesetzestext vorzulegen, um diesen bestenfalls im ersten Halbjahr 2024 zu verabschieden, wie man hört.
Die mangelnde Fähigkeit der Koalition, ein Gespür für Timing und Feingefühl zu zeigen, ist mittlerweile bekannt. Sogar die Experten der Bankenaufsicht BaFin und der Bundesbank beteiligen sich als Klageweiber. In der Finanzwirtschaft Deutschlands wird allem gerne die heilige Finanzstabilität und der Traum von schwarzen Nullen untergeordnet – selbst wenn es nicht passt.
Die Deutsche Kreditwirtschaft beklagt, dass der Zeitpunkt für weitere Regulierungen unpassend sei. Die Bauherren verharren in einer Art Lähmung, anstatt die gesunkenen Grundstückspreise zum Einstieg zu nutzen. Lindners Beamte laufen Gefahr, die letzte Hoffnung auf einen möglichst schnellen Aufschwung in der Bau- und Immobilienbranche zu ersticken. Weniger Bautätigkeit bedeutet eine sich weiter verschärfende Wohnungsnot, da bereits jetzt im Land 700.000 neue Wohnungen fehlen.
Die Tatsache ist: Der Immobiliensektor steht aufgrund gestiegener Kreditzinsen und Baukosten unter Druck. Die Stimmung in den Wohnungsbauunternehmen ist laut dem Ifo-Institut im Dezember auf ein Rekordtief gesunken.
Eingriffe ins Bankgeschäft sind diskriminierend
Jeder, der schon einmal mit deutschen Banken über den Kauf eines Hauses oder einer Eigentumswohnung verhandelt hat, weiß, dass viele Dinge flexibel gehandhabt werden können – nur nicht die Bereitschaft, Kredite zu gewähren. Insbesondere dann nicht, wenn freundliche Bankangestellte kritisch das Einkommen, die Steuerbescheide und die Bonität prüfen und trotzdem noch eine Bürgschaft der Eltern verlangen. Die vom Ministerium Lindners geprüften Maßnahmen könnten, wie von der Kreditwirtschaft befürchtet, „selektiv einzelne Kundengruppen diskriminieren“. Junge Familien, größere Haushalte, Personen mit niedrigen und mittleren Einkommen, aber selbst Bürger mit Vermögen bei gleichzeitig geringem regelmäßigem Einkommen, würden „damit systematisch daran gehindert, eine Wohnimmobilie zu erwerben oder zu bauen“. Von der Frage des Eigenkapitals ganz zu schweigen.
Ministerium gibt sich arglos
Im Finanzministerium werden Kommentare zu sogenannten Non-Papieren wie dem Brandbrief der Kreditwirtschaft grundsätzlich abgelehnt. Allerdings wird betont, dass Maßnahmen „mit international anerkannten Standardinstrumenten“ zur Stabilisierung des Finanz- und Bankensektors generell sinnvoll seien. Diese Instrumente seien als Lehren aus der Finanzkrise entwickelt worden, als Banken viele risikoreiche Kredite vergaben, die nicht zurückgezahlt wurden. Zudem seien diese Instrumente auch in Nachbarländern gängige Praxis.
Seit Februar 2023 müssen Banken für Wohnimmobiliendarlehen über die herkömmlichen Anforderungen hinaus einen Kapitalpuffer von 2,75 Prozent vorhalten. Diesen Punkt haben die Banken auch in ihrem Brief an den Finanzminister angesprochen und betont, dass diese Maßnahme dem Bankensektor ein Kreditvergabe-Potenzial von 200 Milliarden Euro für den Wohnungsbau entziehe.
Bundesbank verwundert
Immerhin würde Lindner nicht als Vorsitzender der FDP agieren, wenn er nicht bereits genau wüsste, wo er möglicherweise Spielräume hat. Berichten zufolge werden derzeit angeblich keine neuen Regelungen diskutiert. Dies wird im aktuellen Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank so ausgedrückt: „Solange die Banken keine risikoreichen Kredite vergeben, besteht auch künftig keine Notwendigkeit für die Aufsicht, diese Instrumente einzusetzen.“