Nach den Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank im vergangenen Jahr lässt sich feststellen, dass eine Reihe von Banken wieder deutlich höhere Zinsen zahlt als zwischen 2016 und 2022. Im Gegensatz dazu müssen Kreditnehmer tiefer in die Tasche greifen. Insbesondere die Bauzinsen sind in der ersten Jahreshälfte 2022 deutlich angestiegen und lagen im Oktober 2022 bereits über 4 Prozent. Auch im Februar 2024 befinden sich die Bauzinsen ungefähr auf diesem Niveau: Wer Anfang 2022 einen Zinssatz von etwa 1,0 Prozent für eine Baufinanzierung erhalten hat, muss derzeit mit einem Zinssatz von 3,5 bis 4 Prozent rechnen. Für die Zinsprognose im Jahr 2024 ist zu erwarten, dass die Leitzinsen vorerst nicht weiter steigen und möglicherweise sogar sinken werden, wie von der EZB-Chefin Lagarde möglicherweise ab dem Sommer 2024 angedeutet wurde.
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Kurzfristige Zinsen könnten wieder sinken
Es wird erwartet, dass die kurzfristigen Zinsen tendenziell wieder sinken. Diese Zinsen spielen eine entscheidende Rolle für die Guthabenzinsen bei Sparbüchern und den Tagesgeld-Angeboten der Banken. Auch Festgeld-Anleger bevorzugen oft eher kurze Laufzeiten, beispielsweise 12 bis 36 Monate. Für diese Sparprodukte dürften im Jahr 2024 eher seitwärts verlaufende oder sinkende Zinsen erwartet werden. Personen, die Geld kurz- oder mittelfristig anlegen möchten, könnten daher derzeit bessere Angebote finden als in einigen Monaten.
Im Gegensatz dazu wird der Zinssatz bei Baukrediten in der Regel für einen längeren Zeitraum festgeschrieben, beispielsweise für 10 oder 15 Jahre. Die Entwicklung dieser langfristigen Zinsen ist deutlich schwerer vorherzusagen. In den letzten anderthalb Jahren sind die Bauzinsen nicht weiter gestiegen. Es wird erwartet, dass sich die Bauzinsen im Jahr 2024 nicht wesentlich ändern, allerdings könnten sie im Verlauf des Jahres um 0,5 bis 1 Prozentpunkte vom aktuellen Niveau aus sinken oder steigen. Daher ist es ratsam, die Zinsentwicklung genau im Auge zu behalten, insbesondere, wenn man mit der Bank über einen Immobilienkredit spricht.
Nutzen der aktuellen Zinsentwicklung
Wenn man die Zinsentwicklung für eine finanziellen Entscheidungen nutzen möchte, kann man einerseits versuchen, den günstigsten Zeitpunkt für einen Einstieg zu finden. Wenn beispielsweise ein Zinsanstieg zu erwarten ist, wäre es ratsam, mit der Festgeldanlage noch zu warten.
Wenn man jedoch gerade Geld benötigst, wäre es in dieser Situation ratsam, den Kreditantrag möglichst kurzfristig zu stellen, um von dem niedrigeren Zinsniveau zu profitieren. Dies gilt insbesondere für Baufinanzierungen, bei denen die Kreditsummen besonders hoch sind und die Laufzeiten besonders lang sind.
Solche Situationen, in denen man kurzfristig von Zinsentscheidungen der Zentralbank profitieren kann, sind jedoch eher selten. In der Regel bleibt das Zinsniveau für einige Tage oder Wochen relativ stabil.
Wenn das Zinsniveau eher stabil ist, sollte man gute Angebote vor allem finden, indem man Kredite oder Tagesgeldzinsen vergleichst und sich direkt gute Angebote sichert.
Wie lange sollte man sich festlegen?
Die Zinsentwicklung wird jedoch besonders wichtig, wenn es um die Frage geht, wie lange man sich festlegen möchte. Wenn man beispielsweise mit steigenden Zinsen rechnet, sollte man genau überlegen, welche Anlagedauer man wählt. Es könnte kostengünstiger sein, sich bei niedrigen Zinsen zunächst für eine kürzere Anlagedauer zu entscheiden und dann einen Zinsanstieg abzuwarten.
Das wird durch das folgende Beispiel verdeutlicht: Angenommen, ein Anleger steht vor der Entscheidung, für eine Summe von 10.000 Euro entweder ein Festgeldangebot über 36 Monate zu nutzen oder den Betrag zunächst für ein Jahr festzulegen und dann nach einem absehbaren Zinsanstieg auf 4 Prozent ein Festgeld über 24 Monate abzuschließen.
In diesem Beispiel erweist sich eine Anlage für ein Jahr, gefolgt von einer Festgeldanlage für zwei Jahre, als etwas vorteilhaftere Alternative. Bei der zweiten Option gehen wir von weiteren Zinserhöhungen von insgesamt 0,5 Prozentpunkten im kommenden Jahr aus. Insgesamt wird deutlich, dass der Unterschied bei nur wenigen weiteren Zinserhöhungen (zum Beispiel zwei Mal 0,25 Prozentpunkte) bei einem Anlagebetrag von 10.000 Euro voraussichtlich nicht besonders groß ist. Viel wichtiger ist es, überhaupt den Schritt vom Girokonto oder Sparbuch zum Festgeld zu machen. Denn: Ein Jahr zu warten und erst dann zu dem höheren Zinssatz anzulegen bedeutet, auf etwa 300 Euro Zinsen im ersten Jahr zu verzichten. Außerdem gilt natürlich: Je höher die Anlagesumme und je länger die Laufzeit, desto bedeutender wird die Zinsentwicklung.
Die Entscheidung über eine Zinsbindung von fünf, zehn oder fünfzehn Jahren ist übrigens bei der Baufinanzierung aufgrund der höheren Summen weit wichtiger als die Zinsentwicklung beim Festgeld. Ebenso bedeutend ist die Zinsentwicklung bei einem Bausparvertrag: Steigen die Zinsen nicht wie erwartet, verliert das Bauspardarlehen seinen entscheidenden Vorteil.
So haben sich die Leitzinsen entwickelt
Um die Herausforderungen der Finanzkrise 2008/09 zu bewältigen, hat die Europäische Zentralbank im letzten Jahrzehnt schrittweise die Zinssätze kontinuierlich gesenkt. Ihr Ziel war es, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Inflation auf das Zielniveau von knapp unter 2 Prozent pro Jahr zu steuern. Seit Juli 2022 verzeichnen wir jedoch eine Wende, da die Zinssätze wieder ansteigen. Mit der jüngsten Zinsentscheidung vom 7. März 2024 liegt der wichtigste Zinssatz der EZB weiterhin bei 4,5 Prozent.